Mein Leben
wir selbst. Doch er schien sein Schicksal selbst zu bestimmen, was wir uns für unser eigenes Leben nicht einmal vorstellen konnten.
Im folgenden Jahr bekam ich meinen ersten Plattenspieler, einen Dansette, und die erste Single, die ich kaufte, war »When«, ein Nummer-Eins-Hit der Kalin Twins, den ich im Radio gehört hatte. Wenig später kaufte ich mir mein erstes Album, The »Chirping« Crickets von Buddy Holly and the Crickets, gefolgt von dem Soundtrack zu High Society . Die Constantines waren auch die einzigen Menschen mit einem Fernseher, die ich in Ripley kannte, und wir guckten dort immer S unday Night at the London Palladium , die erste Fernsehshow mit amerikanischen Künstlern, die uns in jeder Beziehung weit voraus waren. In der Schule hatte ich kurz zuvor (ausgerechnet für Ordnung und Sauberkeit) einen Preis gewonnen, ein Buch über Amerika, und ich war völlig fasziniert von dem Land. An einem Sonntag trat Buddy Holly in der Show auf, und ich dachte, ich sei gestorben und gen Himmel gefahren. In der Sendung sah ich auch zum ersten Mal eine Fender-Gitarre. Jerry Lee Lewis sang »Great Balls of Fire«, und der Bassist spielte einen Fender Precision Bass. Mir kam es vor wie ein Instrument aus dem All, und ich sagte mir: »Das ist die Zukunft – das will ich auch.« Und genauso plötzlich wurde mir klar, dass ich in einem Dorf lebte, das sich nie ändern würde, während im Fernsehen die Zukunft gezeigt wurde. Und genau da wollte ich hin.
Ein Lehrer an St. Bede’s, Mr. Swan, der Kunstlehrer, hatte offenbar erkannt, dass in mir doch Rechtschaffenheit und künstlerisches Talent schlummerten, weshalb er sich alle Mühe gab, mir zu helfen. Eines der ersten Dinge, die ich lernte, war das Schreiben mit einer Kalligraphiefeder. Ich hatte ein bisschen Angst vor ihm, weil er als sehr streng und ernst galt, aber zu mir war er außerordentlich nett, was auf einer bestimmten Ebene zu mir vorgedrungen sein muss. Denn als die »Thirteen Plus«-Prüfung für die Schüler anstand, die das »Eleven plus« nicht bestanden hatten, nahm ich mir vor, mich wirklich anzustrengen, weil ich Mr. Swan etwas für seine Güte schuldete. Mit dem Ergebnis, dass ich die Prüfung bestand und mit dreizehn auf die Hollyfield Road School in Surbiton wechselte, mit sehr gemischten Gefühlen, weil ich alle meine Freunde zurücklassen musste.
Hollyfield bedeutete eine große Veränderung. Ich bekam eine Monatskarte und musste jeden Morgen alleine eine halbe Stunde lang mit dem Bus von Ripley nach Surbiton zur Schule fahren, wo ich Menschen begegnete, die ich nie zuvor getroffen hatte. Die ersten Tage waren sehr hart, wie auch die Frage, wie ich mir meine alten Freunde erhalten sollte, weil ich ahnte, dass einige der Freundschaften versanden würden. Gleichzeitig fand ich es ungemein aufregend, endlich in der großen weiten Welt angekommen zu sein. Denn Hollyfield war zwar eine reguläre weiterführende Schule, ihr angeschlossen war jedoch auch die Nachwuchsabteilung der Kingston Art School. Das heißt, dass wir neben den normalen Fächern wie Geschichte, Englisch und Mathe mehrere Tage pro Woche nur Kunst hatten: Aktzeichnen, Stillleben und Arbeiten mit Farbe und Ton. Zum ersten Mal in meinem Leben glänzte ich in etwas und hatte das Gefühl, in jeder Hinsicht in die Gänge zu kommen.
Aus der Sicht meiner alten Freunde war ich aufgestiegen, und obwohl sie eigentlich wussten, dass das okay war, konnten sie nicht anders, als mich deswegen aufzuziehen. Ich spürte, dass ich auf dem Weg war. Hollyfield veränderte meine Sicht auf das Leben. Es ging viel wilder zu, und die Leute waren aufregender. Surbiton lag am Stadtrand von London, sodass wir oft den Unterricht schwänzten, in Pubs gingen oder nach Kingston fuhren, um bei Bentalls Schallplatten zu kaufen. Ich hörte jede Menge neuer Sachen gleichzeitig – Folkmusik, New-Orleans-Jazz und Rock’n’Roll – und war absolut fasziniert davon.
Die Leute sagen immer, dass sie noch genau wüssten, wo sie am Tag von Kennedys Ermordung waren. Ich nicht, aber ich erinnere mich an den Tag, an dem Buddy Holly starb. Ich kann mich noch genau an die Stimmung auf dem Schulhof erinnern. Es war wie auf einem Friedhof, keiner brachte ein Wort heraus, alle standen unter Schock. Von allen Musikidolen jener Zeit war er der Zugänglichste, er war echt. Er war kein Glamourboy und bot auch keine Show im eigentlichen Sinne. Er spielte einfach nur Gitarre und trug dabei auch noch eine Brille. Er war einer von
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