Mein Leben als Androidin
noch roh und ungeschult, meinte er, ließe es doch ein großes Potential vermuten. Unser Konnex konnte nur durch gemeinsame Anstrengungen zustande gekommen sein, als direktes Ergebnis der kontrollierten Manifestation seiner innigsten Wünsche in Verbindung mit den meinen. »Ja, ich weiß«, sagte ich, eingedenk dessen, was Anna mir erzählt hatte, doch obwohl ich mich von seinem Lob geschmeichelt fühlte, machte ich ihn darauf aufmerksam, daß ich niemals bewußt unser Wiedersehen imaginiert hatte, das Verdienst also doch ihm allein zufiele. »Schon, aber wie Seti zu sagen pflegt: ›Auf den untersten Ebenen sind alle Leben untrennbar miteinander verbunden‹, deshalb, bewußt oder unbewußt, hast du mich gesucht. Sieh es mal so: Ohne die Begegnung mit meinem Vater im Malibu Cove – eine furchtbare Sache, für die du mein ganzes Mitgefühl hast – und ohne Evas Herzlosigkeit hätte es dich niemals nach Hollymoon und Armstrong verschlagen, und wir hätten einander nie wieder in die Arme schließen können.«
»Doch andererseits hätte ich auch nicht soviel leiden müssen. Mein neuester Gebieter hat mich mißbraucht, dann zur Kur geschickt, ich wurde zweimal verkauft, zweimal zurückgebracht und mußte erleben, daß ein Tierarzt mein Kind zur Welt brachte. Ich kann die Vorstellung nicht akzeptieren, Tad, daß all das unterschwellig mein Wunsch gewesen sein soll. Und war es tatsächlich meine bevorzugte Realität, durch Lüge zur Prostitution verleitet, angeschossen, ausgestoßen und nach Hollymoon verfrachtet zu werden, wo ich ein Kind mit meinem eigenen Sohn zeugte, der jetzt als Zombie dahinvegetiert, weil ich mich in seine Lebensphilosophie eingemischt habe? War das mein Werk? Bestimmt hätte ich einen direkteren und angenehmeren Weg gefunden, um von hier nach dort zu gelangen. Was deine Philosophie – vorausgesetzt, sie stimmt überhaupt – außer acht läßt, ist die Tatsache, daß niemand in einem Vakuum formatiert: Wir beeinflussen uns gegenseitig, nicht selten auch konträr.«
»Ja. Ohne Kooperation geht es nicht.«
»Ich wollte nicht mit deinem Vater kooperieren! Auch nicht mit Hal, den Hart-Pauleys, den Nonnen, Roland, Blaine Fracass und Stellar Entertainment!«
»Und doch ist es zu deinem Besten gewesen, denn dein Weg hat dich nach Horizont geführt.«
»Noch nicht!«
»Du mußt den Glauben haben, Molly.«
»Glauben ist ein Programm.«
»Ich rede nicht von etwas, das man schluckt.«
»Wovon redest du dann?«
»Du programmierst dein … aber das ist blödsinnig. Du selbst hast es mir gesagt! Erinnerst du dich nicht? Als wir auf dem Meer trieben, hast du mir die Botschaft des Chefs erklärt.«
»Oh. Er ist tot.«
»Off line. Vorübergehend. Er wird sich wieder melden. Aber Liebling, ich will nicht mit dir streiten.«
»Ich auch nicht. Nur, ich habe es recht schwer gehabt. Ich bin gereizt. Tut mir leid, daß ausgerechnet du darunter leiden mußt.«
»Aber natürlich sollst du wütend sein, wenn dir danach ist. Deine Tage als liebes, fügsames Dienstmädchen sind vorbei. Laß dich ruhig gehen. In den Trichter damit. Im Lauf der Zeit wirst du lernen, mehr Geduld mit dir selbst zu haben, und entsprechend formatieren.«
»Hmmm. Du glaubst immer noch, was mir zugestoßen ist, hätte ich selbst veranlaßt. Schon gut. Vielleicht ist ja etwas Wahres dran. Zumindest bin ich bereit, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen.« (Im stillen fügte ich hinzu: »Was habe ich zu verlieren?«)
»Das ist meine Molly!« Er umarmte mich. »Jetzt frage ich dich noch mal: Willst du meine Nummer Eins sein?«
Ich lächelte. »Habe ich eine Wahl?« Mein leichtfertiger Ton in einem so ernsten Moment ärgerte ihn. Zwar versuchte er zu lächeln, aber es glückte ihm nicht ganz.
»Oh, es tut mir leid.« Ich legte ihm die Arme um den Hals. »Natürlich will ich deine Nummer Eins sein. Um bei eurem Bild des Rades zu bleiben: Speichen habe ich, der Chef weiß es, mehr als genug gehabt.«
»Ein schlichtes Ja hätte genügt.«
»Dann also, ja. Ja, ja!« Wir besiegelten das Versprechen mit einem Kuß.
Doch als er auf dem Rückweg zum Landungsobelisken bemerkte, ich müßte mich erst im Glauben unterweisen lassen, bevor wir in einer Aquarierzeremonie zusammengegeben werden konnten, geriet mein Denkvermögen sofort wieder in Aufruhr, denn seine Forderung erinnerte mich an Blaine Fracass, der unsere Heirat auch von meiner Konvertierung zum Humanismus abhängig gemacht hatte. »O nein, so formell geht es dabei nicht zu«,
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