Mein Leben als Androidin
an bewußter Wahrnehmung für die Entwicklung individueller Eigenheiten, während die strikte Tätigkeitskontrolle weiter beibehalten wird. Selbstverständlich sind sie sich der größeren Zusammenhänge bewußt, doch nur relativ wenige ziehen daraus die Konsequenzen, obwohl dadurch – wie schon gesagt – auf interplanetarer Ebene das Flüchtlingsaufkommen größer wird, als wir bewältigen können – dennoch sei dem Chef Dank dafür.«
Mir fiel dieselbe neue Attitüde bei den Kellnerinnen im Restaurant auf; nicht, daß sie mürrisch oder unhöflich gewesen wären, nur einen Deut weniger dienstbeflissen. Einige der Gäste schienen daran Anstoß zu nehmen, ich dagegen sah keinen Grund, mich zu beschweren. Vielmehr fand ich es erstaunlich und wunderbar, sogar während ich an dem lauwarmen Rad na kaute, das uns nach langer Wartezeit aufgetischt wurde. Und wenn es ein Verbot gegen das Stillen im Speisesaal gab, war man nicht daran interessiert, es durchzusetzen, denn niemand sagte ein Wort, als ich das Oberteil meiner Toga herunterschob, damit Klein-Jubilee trinken konnte. An manchen Tischen schaute man verärgert drein, aber Tad sagte, ich sollte mich daran nicht stören, nichts durfte je wieder unser Glück trüben. In diesem Stil positiven Denkens redete er weiter und improvisierte für uns eine Zielrealität, die einen schnellen und sicheren Flug nach Horizont beinhaltete, wo wir zusammengegeben wurden, uns niederließen und eine große Familie gründeten. Nach seiner Rechnung würde Jubilee Ende des Jahres drei Brüder und Schwestern haben. Welch eine reiche Ernte stand uns bevor!
Ich wandte ein, daß mir die von ihm imaginierte Zukunft durchaus sympathisch sei, aber es fehlte noch etwas ganz Entscheidendes, ohne das ich nicht glücklich sein könne, und er, wie ich hoffte, auch nicht. Hatte er Tad junior vergessen? Er versicherte mir, daß es keine Absicht gewesen sei, doch ich ahnte eine durchaus verständliche Reserviertheit, denn wer wäre auf die Idee gekommen, eine derartige Komplikation zu imaginieren? Wenn Junior bei uns lebte, wer würde die Nummer Eins sein und wer die Speiche? Es war zuviel für Tad.
Die Neuigkeit, daß es sich bei Junior um Lance London handelte, war für Anna eine große Überraschung, und während sie sich nicht genug tun konnte mit erstaunten Ausrufen, bemerkte ich bei Tad einen deutlichen Vaterstolz, den ich einigermaßen unangemessen fand in Anbetracht des Preises, den unser Sohn für seinen Ruhm bezahlt hatte. Allein der Gedanke daran, wie man ihm mitgespielt hatte, brachte mich zum Weinen. Wieder machte ich mir bittere Vorwürfe und klagte, bestimmt würde er mit der Zeit immer tiefer sinken, bis hinab zu den Wegwerfdarstellern, die bei gefährlichen Aufnahmen verbraucht und dann ausgemustert wurden, oder vielleicht überließ man ihn der Benway-Klinik zu Forschungszwecken.
Tad und Anna waren alarmiert. Tad wunderte sich allerdings über einen Punkt: Wie konnte das Studio mit dieser Art von kaltblütigem Androidenmißbrauch davonkommen, seit dem Inkrafttreten des Kodex? Anna wußte es und klärte ihn darüber auf, daß während der Jahre seiner Abwesenheit die Studios und Kasinos sich zu einem Kartell zusammengeschlossen und der TWAC eine Ausnahmeregelung abgerungen hatten. Initiator des Ganzen war Micki Dee gewesen. Wieder dieser Mann! Aufgebracht begann Tad, tollkühne Rettungspläne zu entwerfen: mittels einer Panoramatram in die Studiokuppel eindringen; die Kuppel durch Laserbeschuß knacken; Junior bei Außenaufnahmen einfach entführen. Das waren nur einige der gemäßigteren Vorschläge, mit denen er aufwartete in dem spürbaren Bemühen, den vorherigen Mangel an Interesse gutzumachen. Eine praktikablere und durchdachtere Lösung kam von Anna.
»Kaufen wir ihn.«
Einverstanden. Wir eilten zum örtlichen LRA-Büro in einem ehemaligen Ladenlokal am Opportunity Way, im Herzen des Kasinoviertels. Anna versicherte, die Liga wäre die geeignete Anlaufstelle für Transaktionen dieser Art, da man dort einen Notfallfonds eingerichtete hatte, um gefährdete Einheiten freikaufen zu können, wenn mit anderen Mitteln nichts zu erreichen war. Die Gebieteranwälte, Levin und Pierce, waren beschäftigt, also wurden wir an ihre stellvertretende Beraterin verwiesen, einen Apple 9 Strafverteidiger Plus namens Dahlia, die uns mitteilte, daß tatsächlich in der Vergangenheit einige Schauspieleinheiten angekauft worden waren, jedoch nur im Anschluß an Prozesse gegen ein Studio wegen
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