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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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Raumanzug steckte, stand mir gegenüber, hielt sich mit der Linken an der Handtuchstange fest und angelte mit der Rechten nach dem Innenriegel, um die Tür zu verschließen und mich auszusperren. Durch das Visier des Helms konnte ich undeutlich Blaines Gesichtszüge erkennen. Er mußte gleich zu Beginn des Angriffs in die Toilette geflüchtet sein und hatte nach der Explosion die Reißleine des Anzugs gezogen.
    Ich schob einen Fuß in die Tür, bevor er sie schließen konnte, worauf er mit wütenden Tritten reagierte. Obwohl ich die Worte nicht hören konnte, ließ sich an seinen ausdrucksstarken Mundbewegungen erkennen, daß er mir jeden erdenklichen Fluch und jedes in seinem Repertoire befindliche Schimpfwort entgegenschleuderte.
    »Spar dir den Atem!« gab ich zurück, auch wenn ich bezweifelte, daß er von meinen Lippen ablesen konnte. Ich riß die Tür auf, zerrte ihn mit einem Ruck nach draußen und verschaffte mir einen festen Halt, indem ich den Fuß unter die Handtuchstange hakte. »Siehst du! Jetzt kannst du den Trittbrettfahrer machen.« Ich war nicht wütend auf ihn, müssen Sie verstehen, eher auf die Gebieter hinter den Kulissen, die Blaine Fracass als eine Art Kastenteufel immer wieder aus der Versenkung auftauchen ließen, um mich zu quälen. Er war auch nur ein Schauspieler, nahm ich an, der sich das Mißfallen des Studios zugezogen hatte oder den das Publikum nicht mehr sehen wollte, andernfalls wäre er von der Produktionsleitung niemals für die Rolle des Märtyrers für den Humanismus eingesetzt worden.
    Während ich über diese Zusammenhänge nachdachte, umklammerte mein ›Schicksalsgefährte‹ von hinten meinen Helm, und beinahe hätte er mich aus der Kabine gezogen, doch eines seiner zappelnden Beine streifte die gezackte Kante einer Verstrebung, an der er sich den Anzug aufschlitzte. Der Rückstoß der entweichenden Luft ließ mich gegen ihn prallen. Ich verlor den Halt, und beide trieben wir wie ein unfreiwilliges Meteoritenpaar in die Leere des Weltraums hinaus. Da sein Anzug rasch in sich zusammenfiel, begann er in Todesangst um sich zu schlagen, und im Lauf des Handgemenges umklammerten wir uns schließlich Visier an Visier. So hatte ich Gelegenheit, einen ungehinderten Blick auf sein von unaussprechlichem Entsetzen verzerrtes Gesicht zu werfen.
    »Die arme Einheit«, dachte ich, von plötzlichem Mitleid überwältigt, und versank in Brüten über die Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit der Gebieter. »Ungeheuer! Wir sind mehr als nur Puppen, die ihr zu eurer Unterhaltung und eurem boshaften Vergnügen tanzen lassen könnt!« Am ärgsten war die Erkenntnis, daß meine Gedanken sie köstlich amüsiert haben würden. Doch konnte man ihnen nicht auch Applaus abringen? In einer Anwandlung von Heroismus – wenn ich das von mir selbst sagen darf –, klappte ich mein Visier auf und dann das meines ›Kollegen‹, um ihm durch Mund-zu-Mund Beatmung neues Leben einzuhauchen. Zu dieser vergeblichen und rein symbolischen Geste fühlte ich mich bewogen, als er im Todeskampf meine Taille umklammerte. Romantik pur und große Geste: Kein Drehbuchautor hätte sich etwas Besseres ausdenken können als diesen tapferen Kuß; so ein herzzerreißendes und tragisches Ende, viel zu gut für das nimmersatte Publikum. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, hatte ich nicht vor, diesen erhabenen Moment der Selbstaufgabe länger als zwei oder drei Sekunden auszudehnen, denn meine Rührung ging nicht so weit, daß ich mein eigenes Wohlergehen vergessen hätte. Doch als ich mich aus der Umarmung lösen und das Visier schließen wollte, stellte ich zu meiner Verblüffung fest, daß unsere Lippen aneinanderhafteten, festgefroren und versiegelt. Ohne Liebe verbunden. Als einer der Schlachtenkreuzer neben uns auftauchte, umwimmelt vom Rudel der Medienschiffe, die sich gegenseitig die besten Plätze streitig machten, verdichtete sich der letzte panikerfüllte Atemhauch vor meinen Nasenlöchern zu zwei bezaubernden Kristallfiligranen. Im nächsten Moment löste sich dieses kunstvolle Wahrzeichen äußerster Verzweiflung zu einer frostigen Wolke auf, die als perfekter Heiligenschein unsere Köpfe umrahmte. Wieder einmal sank ich in den schwarzen Abgrund der Besinnungslosigkeit.
     

BUCH DREI
     
    Mars: Die Wahrheit, die ganze Wahrheit!
    2082-86
     

Kapitel eins
    Im Unterschied zu den Tausenden von anderen Glückwunschhologrammen und Blumen, die in unsere Flitterwochensuite im Penthouse des Mons-Olympus-Hotels geliefert

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