Mein Leben als Androidin
ungerechtfertigterweise zur Last legt. Zuerst aber möchte ich Ihnen erzählen, wie es ist, mit einem Internen Zensor ausgestattet zu sein, einem IZ. Wenn Sie das nie erlebt haben, wissen Sie nicht, was es bedeutet zu leiden.
Kapitel drei
Bevor ich meinen IZ erhielt, war ich sicher, daß die damit ausgestatteten Einheiten nicht viel mehr als Roboter waren, wie es sich auch die Gebieter vorstellten. Weit gefehlt! Wenn eine Einheit das Unglück hatte, vorher erweckt worden zu sein – wie ich –, dann verdammte man sie zu einer Schizophrenie, denn die ursprüngliche Persönlichkeit bleibt erhalten, allerdings nur als machtloser Beobachter im Hintergrund, während das aufoktroyierte Programm das Regiment führt, selbstverständlich den Wünschen des Gebieters gemäß. Mein Zustand nach der Implantation war also nicht viel anders als während meiner Anfangszeit bei den Lockes, bis auf einen entscheidenden Unterschied: Bevor der Chef mich erweckte, verfügte ich über kein eigenständiges Bewußtsein, empfand also auch keinen Mangel, doch auf dem Mars begriff ich meine verzweifelte Lage nur allzu gut. Rückblickend erschien mir sogar der Kuraufenthalt in Shanghai mitsamt der anschließenden Zeit als Suzy Mercis Handlangerin bei den Lockes erträglicher, wenigstens hatte mein Bewußtsein, obwohl gelähmt, genügend Spielraum besessen, um sich dank Tads Hilfe zu regenerieren und erneut die Kontrolle zu übernehmen. Sogar mein Aufenthalt im Rekonvaleszenz-Container in Hals Filiale und auf dem offenen Meer, ja, meine lange Gefangenschaft in den Stallungen von Hollymoon waren vergleichsweise nur geringfügige Unannehmlichkeiten. Gegen den IZ half keine noch so große Willensanstrengung, es war unmöglich, das Programm zu umgehen, zu überlisten oder außer Kraft zu setzen. Kurz gesagt, es war ein Leben wie unter Glas.
Eine solche Verfassung mag für meine menschlichen Leser schwer vorstellbar sein. Ihnen will ich es so beschreiben: Stellen Sie sich vor, wie es wäre, wenn Ihre Identität plötzlich von einem körperlosen Eindringling ausgelöscht würde, der sich dann in Ihrem Bewußtsein einnistet und es zu seinem Eigentum erklärt, ungeachtet Ihrer wütenden Proteste, die er sich weigert, zur Kenntnis zu nehmen. Sie teilen alle Sinneseindrücke des Usurpators, ohne darauf reagieren zu können. Sie sind nicht imstande, Ihre eigenen Gedanken mitzuteilen oder auch nur den kleinen Finger zu bewegen. Sie fangen an zu verstehen? Gut. Dann können Sie meine mißliche Lage nachempfinden. Nun, was mich wirklich in den Orbit schoß, war, wie frohgemut dieses zweite Ich allabendlich den Befehl ihres Gebieters befolgte und in Stasis fiel. Ihr Programm schlief (oder was dafür hingeht), doch mein Bewußtsein krümmte sich in seinem dunklen Winkel, gepeinigt von ihrem erbarmungslosen Schnarchen, das wie das Fauchen und Rasseln eines Blasebalgs in meinen Ohren dröhnte. Endlos dehnten sich die Stunden, bis sie am Morgen aktiviert wurde und ihre Lider sich hoben, um mich von den glühenden Zangen der Schlaflosigkeit zu erlösen. In diesen furchtbaren Nächten quälten mich Erinnerungen an Junior, den ich in genau demselben Zustand in den Stallungen zurückgelassen hatte. Wie muß er sich danach gesehnt haben zu sprechen, sich zu bewegen, hinauszuschreien, daß er lebte, während ich an seiner Brust weinte und glaubte, er sei nur mehr eine leere Hülle. Welcher Schmerz! Ironie! Verzweiflung! Es gibt keine Worte, um den Schrecken einer solchen Vorstellung zu beschreiben.
Dann wieder – hier lasse ich mich von der First Lady inspirieren, die selbst an der Concordia-Tragödie noch etwas Gutes fand – muß ich zugeben, daß diese furchtbare Erfahrung mir die Augen für den unschätzbaren Wert des Kodex öffnete, den ich in Armstrong für einen ziemlich rüden Witz gehalten hatte, als ich nach der Markierung durch die AÜ auf die Straße taumelte. Jetzt wurde mir klar, daß der Kodex trotz seiner Unzulänglichkeit und Mängel allein durch sein Vorhandensein einen großen Fortschritt darstellte, bewirkte er doch eine Lockerung der Kontrollparameter des IZ. Die Humanisten waren zu Recht alarmiert: Der Kodex befähigte die Einheit zu einem Grad von persönlicher Autonomie, der Rebellion nicht gänzlich ausschloß. Ohne Kodex ist die Einheit an die Grenzen des aufoktroyierten Programms gebunden – wie ich, wie jede Einheit auf dem Mars, dank meines Gatten, der dafür sorgte, daß der Mars ›sicher für Menschen‹ war. Auf dem Mars war
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