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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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raubten, betrogen, schlugen und mordeten, um sich einen minimalen Vorteil zu sichern, träumten sie davon, eines Tages wieder in die Gebieterklasse aufzusteigen.
    Doch es gab auch welche, die sich als Androiden verkleideten, weil in einem solchen Umfeld das Leben für einen wirklichen Sklaven leichter war. (Natürlich nur für Haussklaven – Dienstboten, Butler, Chauffeure, Köche etc. –, nicht für diejenigen, die in den Tretmühlen der privaten und staatlichen Industriebetriebe verschlissen wurden. O nein. Für die nicht. Diese bedauernswerten Einheiten beutete man aus bis zur vorzeitigen Termination.) Sich als ›Droide‹ auszugeben galt als Kapitalverbrechen, denn es erschütterte das Bild der Gebieter von einem Frontera der Freiheit und unbegrenzten Möglichkeiten. Die herrschende Meinung lautete, daß es sich bei diesen Renegaten ausschließlich um chronische Taugenichtse und Kriminelle handelte. Es gab Statistiken, anhand derer die Elite beweisen konnte, daß die überwiegende Zahl der falschen Androiden es nur darauf abgesehen hatte, sich in die Häuser ahnungsloser Gebieter einzuschleichen und des Nachts mit den Wertsachen das Weite zu suchen. Die wenigen Kritiker, die zaghaft anzudeuten wagten, daß die unerträglichen Lebensbedingungen schuld waren, wenn viele Menschen die Existenz eines Sklaven der gnadenlosen Jagd nach Fronteras elitärem Traum vorzogen, wurden als ewig Unzufriedene, Verrückte oder verkappte Aquarier abgetan.
    In diesem Zusammenhang fällt mir ein unglücklicher Zwischenfall ein, der den angesprochen Punkt illustriert. Nicht lange nach der Rückkehr aus den Flitterwochen saßen Blaine und seine bezaubernde junge Frau im Palast beim Frühstück, als einer der Kellner – sie glaubten, es sei ein DuPont – vom Chefbutler enttarnt wurde. Dem Beispiel ihres Gatten folgend, weigerte sich die First Lady, seiner Bitte um Gnade Gehör zu schenken, und schaute in die andere Richtung, während er weinend und flehend, man möchte ihn nicht einsperren lassen, denn das bedeute den sicheren Tod, von den Wachen hinausgeschleift wurde.
    »Wie schade«, meinte sie, nachdem wieder Ruhe eingekehrt war. »Gerade diese Einheit fing an, mir zu gefallen. Er war so flink damit, Geschirr und Besteck abzuräumen.«
    »Zweifellos aufgrund seiner Erfahrung darin, solche Gegenstände zu entwenden. Der Mann war ein gewöhnlicher Dieb, vielleicht ein Mörder. Wir können uns glücklich schätzen, nicht im Schlaf erdrosselt worden zu sein.«
    »O Blaine! Glaubst du wirklich?« Das tat er allerdings und fügte hinzu, er werde für den gesamten Stab (sie natürlich ausgenommen) und für den gesamten Verwaltungsapparat vorsorglich eine Sicherheitsüberprüfung anordnen, um kein Risiko einzugehen. Er stolzer Plan, denn die Regierung beschäftigte schätzungsweise 150 000 Androiden. Die First Lady hielt die Idee für ausgezeichnet und längst überfällig.
    (Bitte bleiben Sie auf Ihren Plätzen. Wir haben die erklärende Wolkenschicht noch nicht hinter uns gelassen. Lassen Sie sich nicht von der gelegentlich freien Aussicht auf dramatische Szenen täuschen. Wir danken für Ihre Geduld.)
    Ja, sie war fest im Glauben, diese First Lady. Ihre programmierte Bescheidenheit, Anmut und natürliche Scheu bei Auftritten in der Öffentlichkeit sowie ihr Benehmen – so vornehm und damenhaft – sicherten ihr die ungeteilte Sympathie der gehobenen Gesellschaft von Frontera, die Blaine zu seiner klugen Wahl beglückwünschte. Selbst ihre Kritik an der konservativen Gebieterpartei erfolgte zurückhaltend und höflich, und sie lächelte nur ausdruckslos, als wäre das Thema unter ihrer Würde, sobald sie auf Milton Smedlys dritte Partei angesprochen wurde, die sich aus jenen desillusionierten Humanisten zusammensetzte, die sich mit Blaine wegen der Skandale seiner ersten Amtszeit überworfen hatten und jetzt den ehrgeizigen ehemaligen Vizepräsidenten auf ihren Schild hoben, der von Blaine in den Nachwirren der Concordia-Tragödie an die Luft gesetzt worden war. (Die offizielle Erklärung lautete, daß es Smedly an ideologischem Eifer mangelte. Der tatsächliche Grund war, daß Blaine nach wie vor an der Überzeugung festhielt, Smedly hätte den Befehl zum Auslaufen der Flotte gegeben, um die Terroristen zu provozieren, ihn hinzurichten.) Für diesen unverfrorenen Nestbeschmutzer sparte Blaine seine beißendsten Attacken, beschuldigte ihn kleinlicher Rachsucht und der Zusammenarbeit mit den Aquariern im benachbarten Horizont, die

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