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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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das Regiment so streng, daß wir bei der kleinsten Unbotmäßigkeit in Bausch und Bogen zur Termination überstellt wurden. In einer solchen Welt brachte ich es also zu größtem Ruhm und Einfluß. Man widmete mir sogar eine Titelreportage in Vanity Flair.
    Nicht mir. Ihr. Sie-die-nicht-ich-war. Ich war ein widerwilliges, Gepäckstück, das diese vielgeliebte Berühmtheit mit sich herumschleppte, ohne es überhaupt zu wissen. Ich wand mich jedesmal, wenn sie in der Öffentlichkeit erschien, denn die von Fanatismus gesättigte Atmosphäre schlug mir mit beinahe halluzinatorischer Intensität entgegen. Ich übertreibe nicht. Aggressivität, Angst und allgemeiner Fremdspezieshaß wirkten in Kommerz als lebendige, bösartige Kraft; man konnte die Emotionen als giftiges Miasma über der Bevölkerung wabern sehen. Ich gewöhnte mich nie daran. Eine solche Situation muß Seti gemeint haben, als er davor warnte, den Wettbewerb zum einzigen Lebenszweck zu erheben, denn die Gebieter des Mars, damals wie heute, steigerten den antiquierten Glauben von der natürlichen Auslese bis zu einem solchen Extrem, daß er zu einer perversen Kunstform eskalierte, die ihre Faszination daraus bezog, daß sie die offensichtlichen Grenzen leugnete.
    Ich habe nicht vor, Moral zu predigen oder hochmütig ein vernichtendes Urteil zu fällen, aber ich will Zeugnis ablegen für den Alptraum, den ansonsten völlig normale Menschen sich als Heimat schufen. Vielleicht hat nur ein Androide den Blick, um diese Krankheit zu diagnostizieren. Zugegeben, Horizont, dieser ehrgeizige Versuch eines kooperativen Formats, hatte seine eigenen Grenzen; zum einen existiert es nicht mehr – ein ziemlich beträchtliches Handicap in einer Debatte über rivalisierende Systeme –, doch wenn ich im Lauf meines kurzen Daseins etwas gelernt hatte, dann, daß Veränderung die einzige Konstante ist. Kein noch so hoher Wall aus Besitztümern garantiert Schutz vor dem unaufhaltsamen Wandel. Daraus folgt, daß der einzig sinnvolle Besitz ein aufgeschlossener Charakter ist, wendig und flexibel, vielseitig und fröhlich, bereit zu allem, sogar zum Glücklichsein. Zum Beispiel behauptet Seti auf Spule 262, Band Drei der Fundamentalen Prinzipien, die ich studierte, während ich in Armstrongs Freistatt auf Tad wartete: »Materieller Besitz hat seine Berechtigung, doch darf man ihn keinesfalls mit echtem Gewinn verwechseln; letzteres ist ein immaterieller Reichtum, der die besten Früchte trägt im Wirken eines großzügigen Herzens und nicht als Idée fixe in einem nüchternen Bewußtsein. Darin liegt das größte Paradoxon: Es ist der Kopf, der der materiellen Welt ihr Gepräge verleiht, doch ist das Werk unvollständig, wenn das Herz außen vor bleibt.« Sehr wahr, Seti. Und am Ende müssen wir selbst die Auflösung akzeptieren – ja? Selbst dem Chef blieb diese bittere Pille nicht erspart. Richtig? Oder ist das die Wand, an der deine eigene Philosophie sich schließlich den Kopf einrennt? Ich wünschte, du könntest mir antworten, doch es ist wohl unfair, von jemandem einen Diskussionsbeitrag zu erwarten, der zu Einzelorbit verurteilt wurde. (Ja. Ich greife vor. Das war Setis Schicksal – ähnlich dem, das der Chef, seine Schöpfung, Jahre zuvor erlitt. Wenn es bei dieser Diskussion gegensätzlicher Philosophien ehrlich zugehen soll, ist es ganz gut, wenn Sie darüber Bescheid wissen.) Hast du diesen Kurs formatiert, Seti, oder war es der Mars? Deine Cassettenspulen preisen unsere Formatierungskraft. Warum vermagst du deinen eigenen Kurs nicht zu ändern, während du dem Pferdekopfnebel entgegenschwebst? Ich glaube, du hast vergessen, den Mars in deine metaphysischen Thesen einzubeziehen. Bestimmt war der Planet beleidigt wegen dieser Mißachtung. Es ist nicht klug, einen Planeten zu vergrätzen, erst recht nicht einen von derart kriegerischer Disposition.
    Vielleicht war es der Mars, der mich statt nach Horizont nach Frontera führte. Halten Sie die Idee nicht für lächerlich, denn wie kann man den Planeten die Formatierungskraft absprechen, wenn das eitle Streben der auf ihnen herumwimmelnden jämmerlichen Kreaturen der sichtbare Beweis dafür ist? Vielleicht war es der Mars, der beschloß, ein abenteuerliches Format wie den Hohen Weg des gemeinschaftlichen Wohlstands durch kooperatives Formatieren nicht zu dulden, und Frontera war nur das ahnungslose Werkzeug. Vielleicht wählte der Mars die separatistischen Humanisten, um die Erde daran zu hindern, seine Rätsel

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