Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
Vom Netzwerk:
über sich, sie ein oder zwei Minuten an sich zu drücken und tröstende Worte zu murmeln; sie hatten so große Ähnlichkeit mit den von Tad in Horizont gebrachten, daß es schon an Satire grenzte: »Nun, nun. Es ist alles vorbei. Du bist zu Hause. In Sicherheit.« Er dachte auch daran, über ihren gesenkten Scheitel hinweg die geschichtsträchtigen Worte in die Kameras zu sprechen, daß Horizont für diese Ungeheuerlichkeit teuer bezahlen werde. Doch kaum waren die Mediaeinheiten von den Militärs hinausgescheucht worden, gab er die Pose auf und bedrängte uns um Informationen über Andro. Bei der Nachricht, daß sein geliebter P9 zur Reversion gebracht worden war, geriet er an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. »Liebling, es ist doch nicht so, als ob er unersetzlich wäre«, meinte seine Frau in dem Bemühen, ihn aufzuheitern. »Du findest jederzeit einen neuen Ratgeber.« Er bedachte uns mit einem derart mörderischen Blick, daß ich glaubte, unser Stündlein hätte geschlagen, doch er beherrschte sich und gab – an General Harpi gewandt – Befehl, die Invasion zu verschieben, um eine zweite Rettungsaktion durchführen zu können. Es tat dem General leid, ihn enttäuschen zu müssen: Operation Halleluja war bereits angelaufen.
    Aller Augen richteten sich auf die Mediawand. Der riesige Holoschirm war in neun kleinere Felder aufgeteilt, von denen jedes über eine Live-Schaltung mit einer anderen Einsatztruppe auf dem Kampfplatz verbunden war. Alle zusammen verschafften den Generälen einen umfassenden Eindruck von der präzise ablaufenden Aktion. Die ersten Bilder, die wir zu sehen bekamen, stammten von einem mit polyoptischen Linsen ausgestatteten Militärsatelliten, der auf die Mandalakuppel ausgerichtet war. Spontaner Applaus der versammelten Generäle und Politiker begrüßte die atemberaubenden Aufnahmen von dem an mehreren Stellen aufgesprengten Schutzschirm. Blaine allerdings sank mit bleichem Gesicht auf einen Stuhl. »Andro. O Andro.«
    Als nächstes erlebten wir aus dem Blickwinkel der Bugkamera des führenden Raumkreuzers den erregenden Sturzflug des Schiffes ins Innere der zerstörten Kuppel und wie es bockend und schlingernd gegen den Widerstand der ausströmenden Biosphäre kämpfte. »Bring das alte Mädchen in den Hafen!« rief irgend jemand und steigerte damit die allgemeine Euphorie. Dann erwachten auch die übrigen Schirme zum Leben und zeigten von den nachfolgenden Schlachtenkreuzern übermittelte Szenen: wie sie durch ihre offenen Ladeluken die Ausbeute des Krieges einsaugten – Aquarier in verschiedenen Phasen des Erstickungstodes, als Spielbälle gewaltiger Aufwinde, die teilweise so stark waren, daß sie die Toten und Sterbenden an den ausschwärmenden Raumern vorbei durch die klaffenden Lecks der Kuppel wirbelten. Ob Jubilee oder Alexander Seti oder Anna zu den Glücklichen gehörten, die von den Raumern eingesammelt wurden, war unmöglich festzustellen. Als die Schwerkraft des Mars zu wirken begann, regneten Körper wie Konfetti auf das Audimax, auf das Forum und sämtliche Straßen Mandalas. Tausende fanden den Tod. Aber das ist Krieg – oder vielmehr eine den Sicherheitsinteressen dienende Strafexpedition, wie das Büro für Öffentlichkeitsarbeit der Streitkräfte von Frontera zu formulieren beliebte.
    Trauerte ich? ›Wir‹ trauerten nicht, während Molly I in tiefem Winterschlaf verharrte. Blaine entrang sich ein hörbares Schluchzen. »Andro. O Andro.« Er vergrub den Kopf in den Händen. Die Generäle staunten, während einige der Politiker wissende Blicke austauschten, aber niemand sagte etwas.
    Blaines Kummer sollte nicht lange währen. Ein oder zwei Wochen später tauchte Andro wieder auf, heil und gesund und, wie es schien, unverändert. In der Abgeschiedenheit des Präsidentenboudoirs gab er dem unablässigen (und leidenschaftlichen) Drängen seines Gebieters nach und berichtete von seinen fürchterlichen Erlebnissen, derweil ›wir‹ auf dem Stuhl neben dem Bett saßen – vergessen. Andros überglücklicher Liebhaber hing an jedem seiner Worte. »Es war mitten in der Psychoperation in der Reversionsklinik, Gebieter, als …«
    Halt! Nicht weiter! Um der Kürze willen werden wir zusammenfassen, wie es unsere Gewohnheit ist – Sie haben es vielleicht bemerkt –, wann immer wir uns im Rahmen dieser Memoiren mit der Geschichte von jemand anderem konfrontiert sehen. Diese Vorgehensweise mag ungerecht erscheinen, aber sie erspart dem Leser mehrere Kapitel dem eigentlichen

Weitere Kostenlose Bücher