Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
Vom Netzwerk:
außer Kraft gesetzt, aber noch wahrnehmungsfähig ist. Also spreche ich jetzt zu dir, Molly. Zu dir, nicht zu deinem Programm. Versuch nicht, mir zu antworten. Ich weiß, daß du mich hörst. Tu einfach, was ich dir sage, und wir werden deinen IZ dissolvieren.«
    Diese gänzlich unerwartete Erklärung produzierte Schockwellen, die bis in die Tiefen meiner Phytoschaltkreise drangen und mich wieder einmal aus dem Winterschlaf weckten, diesmal für immer. (Woher nahm ich die Gewißheit, daß ausgerechnet dieses ›Ich‹ das echte war? Nun, ein Vorteil bei mehreren Sekundärpersönlichkeiten ist, wenn man sich selbst gefunden hat, dann weiß man es. Deshalb, als Andros Worte mir bewußt wurden, wirklich bewußt, durchflutete mich eine Erregung, die einem Orgasmus gleichkam, und mit ihr die Erkenntnis, daß sich hier ein bestimmtes Muster wiederholte. Hatte Tad nicht damals in Newacres, nach meiner ersten Kur, im Prinzip dasselbe für mich zu tun versucht; und hatte ich in den Stallungen nicht Stück für Stück meine eigene Persönlichkeit und Vergangenheit aufgebaut und wiederentdeckt, bevor ich Junior mittels einer behutsamen Reise durch seine vielen Programme zu seiner wahren P9-Existenz führte?)
    »Ich weiß, was du denkst«, sagte Andro.
    »Ich denke gar nichts.«
    »Dich habe ich nicht gemeint.« Wieder suchte er mich hinter ihren Augen. »Du denkst, warum bringt er mich nicht heimlich ins Reha-Zentrum und läßt den IZ entfernen, wie sein Gewissen es schon vor langer Zeit vorgeschlagen hat? Wäre das nicht einfacher und weniger zeitraubend als diese seltsame Aquariermethode?«
    Ein Gedankenleser war er nicht, doch jetzt, da er es erwähnte, fand ich die Frage gar nicht so dumm. Doch er sagte, ohne Blaines Genehmigung – die er selbstverständlich niemals geben würde – wäre das Unterfangen zu riskant, und jeder Versuch von ihm, sich der Mitarbeit des Personals zu versichern, würde vermutlich dem Gebieter zu Ohren kommen. Nein, Psychoperation hieß die Lösung, durchgeführt in der Abgeschiedenheit seines Zimmers. Die Methode hatte außerdem den Vorteil, keine physischen Eingriffe zu erfordern. (Lieber Chef! Andro hatte sich wahrhaftig grundlegend gewandelt, wenn er sich jetzt um anderleuts Intimsphäre sorgte.)
    »Aber was wird aus mir?« fragte Molly II.
    »Keine Angst. Du wirst eins werden mit deinem Übergeordneten Selbst.«
    »Ich werde sterben, meinst du.«
    »Nein. Du wirst reintegriert.«
    »Ich habe Angst. Warum muß das denn sein? Bin ich nicht alles gewesen, was dein Herz begehrte?«
    Geduldig erklärte er ihr, daß sie als künstliche Persönlichkeit ihm nicht länger genügte. (Welch Takt!) Es war von größter Wichtigkeit, daß die wirkliche Molly wieder das Szepter übernahm, damit sie gemeinsam Blaines Sturz und den Wiederaufbau Horizonts frohmatieren konnten. (Es geht nichts über einen Frischbekehrten, um grenzenlosen Optimismus zu verbreiten.)
    »Aber wenn es das ist, was du willst, Andro, dann können doch wir, du und ich, frohmatieren. Ich bin so gut wie sie.« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Du wärst nicht mit dem Herzen dabei. Ich brauche die wirkliche Molly für ein erfolgreiches Frohmat.« Sie war am Boden zerstört, fügte sich aber – das war grundlegendes Attribut. Zögernd legte sie sich auf den Teppich, mit dem Kopf nur ein paar Zentimeter von dem wirbelnden Kreisel entfernt. Er wies sie an, alle Gedanken und Kümmernisse aus ihrem Bewußtsein zu streichen und sich dann auf ein Bild des IZ zu konzentrieren, ein winziges, kristallines Gebilde, tief in die Phytostruktur des Gehirns eingebettet. »Imaginiere mit mir zusammen, daß der IZ in den Trichter hineinschwebt. Wenn wir uns stark genug konzentrieren, dann wird er sich materialisieren, und sobald das geschieht, verschwindet das tatsächliche Objekt aus deinem Gehirn.«
    Nach zwei Stunden angestrengter Bemühungen ohne jedes erkennbare Resultat wurde sie ungeduldig und gab auf, was mich ungeheuer frustrierte, denn ich hatte jede Skepsis und alle Zweifel bezüglich der Aquariertechnik beiseite geschoben, um an dem Exorzismus mitzuwirken. »Komm schon! Komm schon!« beschwor ich sie aus meiner Gruft heraus. »Laß dich doch nicht so leicht entmutigen. Noch ein einziges Mal, mit Gefühl. Wir schaffen es.«
    »Es geht einfach nicht«, klagte Molly II trotzig und gab zu, daß ihre Gedanken abschweiften. Doch Andro war beharrlich. Sie versuchten es wieder, am folgenden Abend und dem nächsten und dem nächsten, eine ganze Woche

Weitere Kostenlose Bücher