Mein Leben als Androidin
Ende des Verfahrens abzuwarten, mit dem Argument, daß Angelikas Zeugenaussage nötig wäre, um die Beschuldigung gegen Thaddäus Locke als den Entführer zu untermauern. Aber das ist nur eine Galgenfrist, meine Liebe. Sie verschafft uns die Zeit, die wir brauchen, um die wirkliche Molly wiederzuerwecken und den Untergang der Humanisten und den Wiederaufbau Horizonts zu frohmatieren.«
(Ein Zapfen an meinem schlummernden Bewußtsein. Konnte es sein, daß ich richtig gehört hatte? Nein. Unmöglich. Ich zog die Decke über den Kopf.)
Andro zog einen geheimnisvollen Gegenstand aus der Tasche. Nachdem er ihn vorsichtig aus dem regenbogenfarbigen Tuchfetzen ausgewickelt hatte, kam ein etwa daumengroßer Kreisel aus Jade zum Vorschein. »Der Trichter«, bemerkte er zu Molly, die nur verständnislos mit dem Kopf nicken konnte. In Präzisionsarbeit aus einem Stein geschnitten, war das Ding recht hübsch anzusehen, doch erst als Andro es auf seiner Handfläche tanzen ließ, zeigte sich seine wahre Bedeutung, denn das von den schrägen Flächen gebrochene Licht wurde durch einen winzigen Holofilter an der Oberseite projiziert; es entstand die Illusion einer schimmernden, vielfarbigen Kugel von ungefähr drei Metern Durchmesser, die über dem Kreisel schwebte. »Eine kleine Maschine im Innern regelt die Rotationsgeschwindigkeit, also kann er sich unendlich weiterdrehen. Um ihn anzuhalten, braucht man nichts weiter zu tun als …« Er nahm den Kreisel in die andere Hand und hob ihn hoch. Die Kugel verschwand. »Die Psychochirurgen haben ihn mir gegeben, als wir zusammen in den Katakomben saßen.« Er lächelte verschwörerisch. »Der Kreisel ist mehr als ein Spielzeug, vielmehr ein universelles therapeutisches Hilfsmittel zur Auflösung von psychischen Barrieren. Man kann ihn auch einsetzen zur Auflösung von Tumoren, Blutgerinnseln, Nierensteinen und was nicht alles – ein richtiges Allheilmittel. Für den Novizen ist er ein unverzichtbarer Helfer bei der Entfernung des IZ aus dem System einer Einheit. Meine Chirurgen kamen selbstverständlich ohne aus, immerhin waren sie Adepten, aber wir brauchen ihn unbedingt, wenn es uns gelingen soll, dein wirkliches Selbst zu befreien.«
Molly II war verdutzt. Ein wirkliches Selbst? Aquarische Kreisel? Trichter? Wovon redete er bloß?
Er setzte ihr auseinander, daß er Blaine belogen hatte, was seine Erlebnisse in Horizont betraf. Die Psychoperation war ein voller Erfolg gewesen. »Meinen IZ konnten sie nicht entfernen, da ich keinen hatte, doch sie gaben mir genügend Energie und Entschlossenheit, um selbst mein altes Strategieprogramm zu löschen. Siehst du, mir war überhaupt nicht bewußt, daß ich mich vor langer Zeit damit arrangiert hatte. Zu denken, daß ich mich all die Jahre für eine selbständige Einheit hielt. Erstaunlich, wie wir selbst uns zum Narren halten können, nicht wahr?« Sie schenkte ihm einen leeren Blick. »Ja. Nun. Also, in jedem Fall kann ich nun von mir selbst behaupten, wirklich frei zu sein. Wie blind bin ich gewesen, nach der Macht der Gebieter zu streben, während der Chef uns die Sterne versprochen hat. Ich wünschte, ich hätte eher auf mein Gewissen gehört. Es sind nur Furcht und Unwissenheit, die uns hindern, unsere höchsten Ziele zu erreichen. Die Sterne! Dieses Zimmer erscheint mir jetzt wie ein Gefängnis.«
»Ach, ich weiß nicht. Mir gefällt's.«
»Hör zu, Molly. Hör zu! Ich wurde nicht gezwungen, bei den Aquariern in den Katakomben zu bleiben, ich wollte es. Nie zuvor in meinem Leben habe ich mich so akzeptiert und frei gefühlt. Es war eine Offenbarung! Als ich das erste Mal am Frohmat teilnahm (ein herrliches Erlebnis) und mich bemühte, die Wiedererstehung Horizonts zu imaginieren, merkte ich, daß ich immer nur an dich denken mußte. Deshalb ist es wahrscheinlich kein Wunder, daß ich gefangengenommen und wieder hierhergebracht wurde, denn jetzt habe ich Gelegenheit, dich zu befreien. Das ist das mindeste, was ich tun kann, um gutzumachen, was ich gefehlt habe. Mein Gewissen scheint ausnahmsweise mit mir zufrieden zu sein; es hat noch keinen Ton gesagt.«
»Aber Andro, ich bin ganz zufrieden mit mir, so wie ich bin. Es freut mich, daß du in Horizont an mich gedacht hast, aber ehrlich, ich will nicht befreit werden.«
»Ich habe nicht mit dir gesprochen, sondern mit deinem anderen Ich.« Er schaute ihr tief in die Augen, als wollte er mich dahinter entdecken. »Die Chirurgen haben mir gesagt, daß die zensierte Persönlichkeit
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