Mein Leben als Androidin
Resolution bemühte, in der verlangt wurde, Horizont wiederaufzubauen und die in alle Welten verstreuten Überlebenden zu befreien, aber diese Art von reflexartigen Reaktionen der Liberalen kannte man schon und begrub sie flugs in einem TWAC-Komitee. »Die LRA ist stets dabei, wenn es für eine verlorene Sache zu streiten gilt«, scherzte Andro seinem Gebieter zu Gefallen.
Von erheblich größerem Interesse für alle Beteiligten war das gegen die Aquarier eingeleitete Gerichtsverfahren, das in Frontera stattfinden sollte. Man hatte beschlossen, Alexander Seti (er war im Audimax aufgegriffen und gerettet worden) und Tad bei diesem Schauprozeß – von den Militärs in Szene gesetzt – der Verschwörung anzuklagen, um die Invasion zu rechtfertigen und hartnäckige Zweifel bezüglich der Motive des Entführers zu zerstreuen, denn von manchen Seiten wurde behauptet, Tad sei in Wirklichkeit ein von Frontera eingeschleuster Agent provocateur. Die Chancen für einen Freispruch waren gleich Null, die Verurteilung gewiß, die a priori feststehende Strafe in Tads Fall der Tod, da er der Entführer gewesen war, und lebenslänglicher Einzelorbit für Alexander Seti, den General Harpi beschuldigte, der Kopf des Ganzen gewesen zu sein. Während der Vorbereitungsphase zu dem Verfahren kamen jene Beweise ans Licht, die so schlimme Folgen für die First Lady haben sollten, ganz zu schweigen von Molly II, III und meinem im Winterschlaf befindlichen Selbst. Lassen wir Andro erklären.
»Ich befürchte, der Gebieter ist immer noch entschlossen, sich deiner zu entledigen, Liebling«, informierte er Molly II in der ersten Nacht, die sie wieder in seinem Zimmer verbrachten. Gelinde überrascht, fragte sie, warum.
Er antwortete, daß Thaddäus Locke im Militärgefängnis unter dem Einfluß von T-Max befragt worden war und sein Verhältnis mit der First Lady gestanden hätte, während ihrer früheren und weniger vornehmen Reinkarnation als P9. Blaine war es gelungen, den Deckel auf dem Topf zu halten, indem er die Militärs mit bedeutenden Zugeständnissen dazu bewog, die verräterischen Passagen aus dem Vernehmungsprotokoll zu streichen, aber die Tatsache blieb bestehen, daß der Kreis der Eingeweihten nun auch General Harpi und einige ausgewählte Angehörige seines Stabs umfaßte, was den Präsidenten überaus nervös machte. Ich mußte eliminiert werden, bevor das Geheimnis aufhörte, ein Geheimnis zu sein, denn Blaine traute dem General nicht recht.
»Ist Thaddäus Locke das sonderbare Individuum, das uns entführt hat?« Andro nickte. »Dann würde ich nichts von dem ernst nehmen, was er sagt. Er behauptete, ich hätte eine Tochter in Horizont. Eine vielversprechende Studentin der Überflußtheologie, ausgerechnet. Hast du jemals etwas derartig Absurdes gehört?«
»Aber du hast eine Tochter. Oder hattest. Vermutlich ist sie während der Invasion zu Tode gekommen.«
»Er sagte noch etwas von einem Sohn. Stimmt das auch?«
»Ja. Beim Verhör hat er gestanden, einen Sohn mit dir gezeugt zu haben – eigentlich mit deiner Vorgängerin, der echten Molly. Und der Sohn ist niemand anders als Lance London.«
»Nie vom ihm gehört.«
»Er war ein großer Star desselben Studios, das auch dich angekauft hat. Ich habe ein wenig nachgeforscht und herausgefunden, daß er nach dem Ende seiner Serie an das große Kasino in Armstrong verkauft wurde und jetzt den Conferencier in ihrer Show dort macht, den ›Follies Lunaires‹. Man hat mir berichtet, daß er ein gealterter Semi ist und ziemlich schäbig wirkt, aber immer noch zum Singen und Tanzen programmiert werden kann.«
(Tief drinnen vernahm ich in meinem Winterschlaf den fernen Widerhall ihrer Worte und vergrub mich augenblicks noch tiefer in meine schützende Höhle. ›Follies Lunaires‹? Verschont mich. Kein Wissen, kein Schmerz.)
»Um wieder auf das Attentat zurückzukommen, diesmal wird es so ablaufen, daß die RAG dich ermordet, um Vergeltung zu üben für die Invasion. Der Anschlag wird eine Säuberungsaktion im eigenen Lager auslösen; etwas, das Blaine und General Harpi bereits seit Jahren planen.«
Wie nicht anders zu erwarten, reagierte Molly II auf das neuerliche Todesurteil wieder mit lebhafter Sorge um das Wohlergehen ihres Liebsten und fragte sich händeringend, wie er denn zurechtkommen wollte, wenn sie nicht mehr da war.
»Nichts davon, Molly. Diesmal werde ich es nicht zulassen.« Keine leere Prahlerei. Er meinte es ernst. »Ich habe den Gebieter überredet, das
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