Mein Leben als Androidin
gezogene Kapitänsmütze?) Statt des italienischen Akzents, den ich erwartet hatte, glaubte ich einen irdischen Zungenschlag herauszuhören, der für keine bestimmte Region charakteristisch war. Ich war ziemlich enttäuscht. Nachdem ich fast mein ganzes Leben lang immer wieder mit dem Namen dieses legendären Dons konfrontiert worden war, hatte ich mir eine schillerndere Personifikation des Bösen vorgestellt; entweder einen wahren Bilderbuchvertreter des Typs oder ein Muster an Seriosität – einen verbindlichen und kultivierten Gebieter, beeindruckend, mit silbernem Haar. Ich fühlte mich etwa wie Dorothy in der entscheidenden Szene am Ende von Der Zauberer von Oz – mein liebstes Buch in der Palastbibliothek.
Gar nicht sonderlich überrascht von Blaines Anruf, eröffnete der höfliche, aber desinteressiert erscheinende Gebieter das Gespräch mit der Bemerkung, er wollte nichts weiter wissen, nur ob die Behauptungen der LRA der Wahrheit entsprachen? Blaine schwor auf einen Stapel von Humanistenbibeln, es wären alles Lügen, und auf einen Wink von Andro trat die First Lady vor, um sich vorzustellen und ihre Reverenz zu erweisen. Anschließend tadelte sie den Don charmant, daß er diese Möglichkeit jemals auch nur in Betracht gezogen hatte. Offenbar zufriedengestellt, lächelte er und sagte: »Dann laß den Psychotest durchführen. Die Anklage ist entkräftet, sobald die Ergebnisse vorliegen.«
»Aber – mit allem gebührenden Respekt, Gebieter, ich war der Ansicht, wir sollten den Test aus Prinzip verweigern.«
»Das ist auch meine Meinung«, pflichtete die First Lady bei und hakte sich bei ihm ein.
»Nun, du bist der Präsident. Du kannst tun, was du für das beste hältst. Soviel ich weiß, steht dir in Andro ein ausgezeichneter Berater zur Seite.« Er schaute auf seine Armbanduhr. »Ich werde die Angelegenheit mit Interesse verfolgen, Blaine. Viel Glück.« Doch ehe der Don die Verbindung unterbrechen konnte, platzte sein humanistischer Komplize heraus: »Aber Micki, Sie müssen mir helfen. Es darf nicht sein, daß ich persönlich in diese Sache hineingezogen werde – ich meine, es wäre verheerend für mein Image, wenn man mich zwingt, vor Gericht zu erscheinen.«
»Geschäfte, Blaine. Zur Zeit habe ich meine eigenen Probleme.«
»Gebieter Dee, ist nicht mein Problem auch Ihr Problem? Können Sie der LRA nicht Einhalt gebieten?«
»Unter normalen Umständen wäre ich eventuell in der Lage, mäßigend auf sie einzuwirken, aber gerade jetzt werden meine sämtlichen Unternehmungen sehr genau überwacht. Meine Consigliori haben mir geraten, nichts zu tun, was mich noch weiter in Mißkredit bringen könnte. Ich habe noch andere Interessen als nur die Geschäfte auf dem Mars, mußt du wissen.«
Blaine bekundete Mitgefühl und Demut. (Er hatte keine Ahnung von den Aktivitäten des IBV.) Er sagte, er verstünde sehr gut und wünsche seinem Gebieter alles Gute. Doch kaum war der Schirm erloschen, warf er die Arme in die Luft und rief, das sei doch alles erstunken und erlogen. Micki Dee ließ ihn im Stich, ließ ihn absichtlich im Regen stehen. Warum? Es ergab keinen Sinn. Andro, sein arger und düsterer Jago, versicherte ihm, seine Ängste seien unbegründet. Er, Blaine, war ein außerordentlich wichtiger Verbündeter des Don, und wenn sein Gönner behauptete, in diesem Fall nicht helfen zu können, mußte man seinen Worten Glauben schenken. Hatte er ihn je zuvor betrogen? Nein. Außerdem, die Krise war gar nicht so schwer, wie sie aussah. Sie waren durchaus fähig, selbst damit zurechtzukommen; schließlich hatten sie dieselben Beschuldigungen schon einmal abgeschmettert, als sie in der Boulevardpresse von Frontera veröffentlicht wurden. Bedrückt machte Blaine ihn darauf aufmerksam, daß nämliche Enthüllungen, wenn auch damals als Verleumdung abgetan, durch die Klage der LRA wieder in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gerückt waren. Überwältigt von Verzweiflung und Selbstmitleid, fragte er den Herrn im Himmel: »Wie konnte mir das passieren?«
Zweifellos hätte Andro gerne erwidert: »Weil ich es formatiert habe!« Statt dessen tröstete und beschwichtigte der doppelzüngige Sklave seinen Gebieter, allerdings mit wenig Erfolg, denn der Regierungschef versank in dumpfes Grübeln. Bald hatte seine Stimmung auf die Dienerschaft übergegriffen und verbreitete sich endlich durch sämtliche Flure und Zimmer des Palastes, bis das ganze Gebäude von einer wahren Friedhofsatmosphäre erfüllt war, als
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