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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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vorführen ließ, damit sie ihre Mitwirkung und die Andros in Smedlys Komplott gestand. Ganz sicher erinnern Sie sich an das gewaltsame und unvermutete Ende der Veranstaltung, doch ich frage mich, ob Sie sich auch über die Bedeutung der Wortwahl bei der letzten Frage an den Präsidenten im klaren sind. Vermutlich nicht. Dann geben Sie gut acht, denn darin liegt der Schlüssel zu dem blutigen Spektakel im Anschluß daran.
    »Reverend Präsident«, fragte die Mediaeinheit von EBN (Earth Broadcast Network), »im Licht dieser neuen Entwicklung, werden Sie dennoch dem Gerichtsbeschluß Folge leisten und den unter dem Namen Molly bekannten P9 an die AÜ überstellen?«
    Verstehen Sie?
    Blaine bemerkte nicht das Flackern in ihren Augen, das einen Programmwechsel signalisierte; er war zu eifrig damit beschäftigt, wortreich zu erklären, er werde den fraglichen Gegenstand selbstverständlich den Bevollmächtigten des Gerichts übergeben, sobald sie bei ihm vorstellig wurden. Er sah nicht den verwirrten Ausdruck auf ihrem Gesicht, ähnlich dem eines rücksichtslos aus seiner Trance gerissenen Schlafwandlers, noch erschrak er, als ihr Blick sich nach kurzer Besinnung auf seinen Sicherheitsgürtel richtete.
    »Oh, gütiger Chef, nein!« rief ich in meinem Gefängnis und kämpfte mit jeder Faser gegen den Widerstand des IZ. »Du kleine Närrin! Nicht! Man wird uns zur Strafe beide eliminieren.«
    Doch natürlich wollte Molly II genau das erreichen – hatte es immer gewollt, seit dem Tag, als Andro ein Interesse an mir bekundete. Und jetzt bot sich ihr die Gelegenheit! Nicht nur konnte sie ihr programmiertes Schicksal als Opferlamm erfüllen, sondern gleichzeitig ihre Rivalin auslöschen und als die dominierende Persönlichkeit von der Bühne abtreten. Das, meine Damen und Herren, sind die Gründe, weshalb sie es tat. Es war kein Defekt und auch kein vorsätzlicher Mord, wie von meinen Verleumdern behauptet. Sie funktionierte programmgemäß, oder vielleicht sollte ich mich versöhnlich zeigen und sagen, ihrem Charakter entsprechend. Ihr Charakter, nicht meiner. Denn als sie das letzte Mal heraufbeschworen wurde, geschah es durch Andros verzweifelten Hilferuf, und sie war im Begriff gewesen, rasch und entschlossen darauf zu reagieren, als der Präsident ihr Einhalt gebot.
    Jetzt griff sie folgerichtig nach der erstbesten Waffe, die ihr in die Hände geriet – der Petrifikator –, stieß Blaine die todbringende Spitze unter dem Rand der lasersicheren Weste in den Leib, betätigte den Auslöser und verwandelte den Präsidenten in sein eigenes Denkmal. Ach ja. Wir alle haben tausendmal die Wiederholung gesehen, wie Präsident Fracass augenblicks zu Stein erstarrte, mitten im Satz, eine Hand leicht erhoben, wie um die Gläubigen zu segnen. Es hätte ihm gefallen. Wie ich erfahren habe, bildet er jetzt den Mittelpunkt des erst kürzlich fertiggestellten und nach ihm benannten Siegesbrunnens auf dem Marktplatz von Humania.
    Was mich selbst betrifft und Molly II, wir wurden nicht in Stücke gerissen, wie ich erwartet hatte. Eine Mediaeinheit, die sich vor dem losbrechenden Pandämonium in Sicherheit bringen wollte, rammte uns im entscheidenden Moment aus der Schußlinie, und wir blieben unversehrt. Anschließend wurden wir verhaftet – was Sie bestimmt noch wissen – und unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen zu den etwa eine Meile entfernten Gefängniscontainern gebracht, wo ich fünf bis sechs Wochen lang in Einzelhaft verblieb. Wenn ich heute auf die Ergebnisse im Gefolge des Attentats zurückblicke – Ereignisse, von denen ich erst sehr viel später erfuhr –, begreife ich, daß man bei Sensei Inc. nicht lange zögerte, Kapital aus der unvorhergesehenen Situation zu schlagen und sie geschickt in das ursprüngliche Konzept zu integrieren. Es ergaben sich einige nicht unerhebliche Verbesserungen. Durch die Tat der First Lady entfiel die Notwendigkeit, einen menschlichen Attentäter aus den Reihen von Smedlys Anhängern präsentieren zu müssen; es gab auch keinen Grund mehr, den ehemaligen VP durch fingierte Beweise zu belasten, denn die Mühe hatte ihnen der Präsident kurz vor seinem Ende noch abgenommen. Der Abschlußbericht der Untersuchungskommission (von den Mitgliedern in aller Eile aufgesetzt) bestätigte und erweiterte die Anklagen und wartete mit genügend zusätzlichem Belastungsmaterial auf, das an einer Verbindung der First Lady mit den abtrünnigen Humanisten und der RAG kaum einen Zweifel ließ. Das enthob

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