Mein Leben als Androidin
sollte diese als Beweisstück Eins registrierte Einheit für das Attentat auf Präsident Fracass vor Gericht gestellt werden und nicht Stanford Locke, in dessen prekäre Lage auch Sie eines Tages geraten könnten, falls Sie sich der von der Anklage vorgebrachten starren Interpretation des Eigentümerhaftungsgesetzes anschließen. Doch ich bin überzeugt, nachdem Sie Gelegenheit hatten, sich über den wahren Sachverhalt zu informieren, werden Sie eine sehr viel klügere Entscheidung treffen. Vielen Dank.«
Das war nur die Einleitung. Die tatsächliche Vorführung nahm zwei Monate in Anspruch, dennoch hatte man bei Betrachtung der täglichen Sequenz den Eindruck, daß sie am Abend zuvor hastig zusammengestückelt worden war. Genauso verhielt es sich, weil Dahlia das Material so spät erhalten hatte. Ich werde Ihre Zeit, liebe Leser, allerdings nicht so lange in Anspruch nehmen. Daß ich Sie überhaupt mit einer Zusammenfassung dieser böswillig verzerrten Darstellung meines Lebens behellige, die meine alte Freundin Dahlia sich nicht zu präsentieren scheute, rührt aus dem Wunsch her, Ihnen vor Augen zu führen, welcher Gegensatz zwischen dem Gesetz und der Wahrheit zuzeiten bestehen kann. Wenn Ihnen das wie eine trockene akademische Übung vorkommt, stellen Sie sich vor, wie eifrig Sie darauf bedacht wären, ein solches Verbrechen aufzuklären, würde mit Ihren Erinnerungen in dieser Art Schindluder getrieben.
Dahlias Methode bestand darin, von ihrem Platz aus die gezeigten Passagen zu kommentieren, damit niemand die Bedeutung der in Farbe und 3D vor dem Richtertisch schwebenden ausgewählten Szenen verkennen konnte. Beginnend mit dem Tag, an dem ich vor über zehn Jahren im Haus der Lockes ›zu Bewußtsein‹ gekommen war, konzentrierte sie sich auf das, was sie meine erste krasse INSUBORDINATION nannte, nämlich meine Weigerung, der kleinen Beverly Locke ein Butterbrot zu streichen. Dem folgte eine ähnliche, aber schwerwiegende Untat am Abend desselben Tages, als ich den GEHORSAM VERWEIGERTE, nach einem ANGRIFF auf meine Gebieterin, der ich Wein über das Kleid schüttete.
»Wie Sie sehen können«, erläuterte Dahlia, »befahl mein Klient der fraglichen Einheit wiederholt, sich zu deaktivieren, wie es jeder verantwortungsbewußte Besitzer tun würde. Sie können auch sehen, daß sie NICHT GEHORCHTE. Er war gezwungen, die Sicherheitseinheit zu rufen, um sie zu sedieren.«
Damit stand fest, daß ich von Anfang an eine AUSSER KONTROLLE GERATENE EINHEIT gewesen war. Mehr noch, nach der Kur entwickelte ich zunehmend Geschick und Raffinesse darin, meinen Willen durchzusetzen, denn, wie Dahlia es treffend ausdrückte, zu dem Zeitpunkt war ich UNWIDERRUFLICH ICH SELBST geworden. ICH VERFÜHRTE den Sohn ihres Klienten, Thaddäus, wie es die präparierten Holobilder zu bestätigen schienen, und wurde infolgedessen auf Betreiben der Mutter des armen verirrten Kindes an Hals Filiale zurückgegeben. (Jeden Hinweis auf eine Beteiligung ihres Klienten an meinen sexuellen Ausschweifungen hatte sie herausgeschnitten.)
Als nächstes gelangte mein Intermezzo als Kindermädchen bei den Hart-Pauleys zur Vorführung. Dahlia konzentrierte sich ausschließlich auf meine sogenannte vorsätzliche ENTFÜHRUNG der kleinen Allison-Belle – das Resultat »von in der Brust des Beweisstücks erblühten, MENSCHLICHEN GEFÜHLEN VERGLEICHBAREN EMOTIONEN, wie zum Beispiel Mutterliebe, aber auch Empfindungen negativer Art, wie Eifersucht auf die leibliche Mutter, deren Stelle sie einzunehmen wünschte.« Dann wurde meine Festnahme durch die Polizei gezeigt, aus meiner Perspektive natürlich, und die Zuschauer im Gerichtssaal stöhnten in wohligem Erschrecken, als das 3D-Aeromobil sich auf mich herabsenkte. Anschließend lehnte man sich bei den Bildern aus Hals Filiale erleichtert zurück, während Dahlia darauf hinwies, daß die Hart-Pauleys, ungeachtet meiner offensichtlichen GEFÄHRLICHKEIT, den Zwischenfall nicht der AÜ gemeldet hatten, statt dessen versuchten sie, ihren Verlust so gering wie möglich zu halten, und tauschten mich gegen ein anderes Modell ein. Hal seinerseits hatte mich ohne Rehabilitation (zu teuer) bedenkenlos an das Kloster Unserer Lieben Frau des Universums verkauft. Es stellte sich die Frage, weshalb diese zwei Parteien nicht mit auf der Anklagebank saßen, denn sie hatten sich der Gesetzesübertretung in bezug auf Beweisstück Eins in erheblich größerem Maß schuldig gemacht als ihr (Dahlias) Mandant. Nach ihrer
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