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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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Herausforderung gestellt, nicht wahr? Kompliment. Na, jetzt muß ich aber los. Da der Aufstand mittlerweile im vollen Gang ist, fahren die Techniker bei Pirouet die schweren Geschütze auf. Ich muß ihnen noch eine Handvoll Sand in die Augen streuen.«
    »Chef, laß mich nicht allein!«
    »Bleib standhaft.«
    Ich hatte mich nie zuvor derart bedrückt und verlassen gefühlt, aber weil Tad mir keine Ruhe ließ, raffte ich mich nach einer Weile auf, ihm den versprochenen Bericht zu erstatten. Ich wiederholte mein Gespräch mit dem Chef Wort für Wort – so sind wir P9 nun einmal beschaffen. Er war erstaunt. Vom Donner gerührt. Begeistert! Die Philosophie des Chefs war identisch mit der der Hochaquarier, sagte er mir. Sie befürworteten seit langem eine Vermischung von Menschen und Androiden, um den nächsten Evolutionssprung in Richtung auf ein kosmisches Bewußtsein zu bewirken. Er hatte ihre Thesen immer für zu extrem gehalten, aber seit er sich in mich verliebt hatte, vermochte er ihren Standpunkt besser zu begreifen. »Ich wette, wer immer den Chef konstruiert hat, muß ein Aqua gewesen sein. Was für eine Verschwörung. Phantastisch!«
    Es entspann sich eine lebhafte Diskussion zwischen uns, die bis zur Morgendämmerung andauerte und deren heilsamster Aspekt darin bestand, daß wir bei unseren Ausflügen in das Reich des Abstrakten die traurige Wirklichkeit vergessen konnten. Das Tageslicht allerdings brachte die Ernüchterung. Kein Land in Sicht, wohin wir auch schauten, und kein Wölkchen am Himmel schützte die empfindliche Menschenhaut meines Gefährten vor den gnadenlosen Strahlen der höhersteigenden Sonne. »Zur Zeit würde ich alles darum geben, ein P9 zu sein«, bemerkte er. Seine Kleider waren schweißgetränkt, und die bloßliegenden Stellen seines Körpers färbten sich rot. Ich konnte nicht einmal Mitleid vortäuschen; er wußte, daß ich gegen solche Mißlichkeiten immun war. Wenn es gar zu schlimm wurde, ließ er sich ins Wasser gleiten; das Bedürfnis, der sengenden Hitze zu entkommen, hatte die Angst vor Haien besiegt. Auf diese Linderung mußte er allerdings verzichten, als die Nutraflasche, die ihm als Haltegriff diente, sich zu lockern begann. Er fürchtete, wenn die Zuleitung sich aus der Wand löste, könnte bei hohem Wellengang der Container vollaufen.
    Um die Wahrheit zu sagen, wurde es in dem Behälter allmählich sehr stickig, also hätte ich gegen ein bißchen frische Luft nichts einzuwenden gehabt – das Luftfiltersystem setzte sich mit Salzkristallen zu. Da der Pazifik gesonnen zu sein schien, seinem Namen alle Ehre zu machen, sah ich keinen Grund, die Gunst des Augenblicks nicht zu nutzen. Doch Tad, der sich wieder auf den Container schwang, war gegenteiliger Meinung. Er zog einen schmerzhaften Sonnenbrand der entfernten Möglichkeit vor, bei stürmischer See zu ertrinken. Nach seinen Worten konnte es nicht mehr lange dauern, bis wir Land erreichten, also waren etwaige Unannehmlichkeiten nur vorübergehender Natur. Das war ein Umschwung, dachte ich, nachdem er vorher so vehement die entgegengesetzte Ansicht vertreten hatte. Offenbar hatte die Botschaft des Chefs seine Moral gestärkt, und ich konnte mich nicht beklagen, denn wie als zusätzliches gutes Omen verdeckten einige Wolken die Sonne, und eine angenehme Brise bescherte uns einen verhältnismäßig erträglichen Nachmittag. Noch vielversprechender war der Anblick einer Möwe. Ich muß gestehen, ich war durchaus geneigt, seinem Beispiel zu folgen und positiv zu denken, denn das war der Gehobene Weg, und vermutlich hatte der Chef sich darauf bezogen, als er von Formatieren sprach. Um unsere gute Stimmung weiter zu fördern, erging Tad sich in recht herzerfrischenden Beschreibungen unseres gemeinsamen Lebens. Wir würden unser eigenes Heim haben – nichts Großartiges, wohlgemerkt, lediglich ein Drei-Zimmer-Modulkondo und selbstverständlich eine ganze Schar prachtvoller Semis dazu. Ich mußte sogar lachen, als er sagte, sie würden die besten Eigenschaften beider Spezies in sich vereinen: sein Gehirn und meine Seelenstärke.
    Trotz der Kälte fanden wir in dieser Nacht ein wenig Schlaf, aber am Morgen des zweiten Tages unseres Martyriums bemerkte ich, daß das Einlaßventil des Luftfilters zu drei Vierteln verstopft war, und deshalb machte ich erneut den Vorschlag, die Nutraflasche abzunehmen. Ich deutete darauf hin, daß die See glatt war wie ein Spiegel und daß es keine Anzeichen gab, die eine Veränderung vermuten

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