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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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angehörig, doch davon später mehr), dazu Dealer und Lude und viel zu lange Mentor, Liebhaber und persönlicher Dämon. Oh, die Torheiten der Jugend! Hätte der Chef mich doch bei der Hand genommen, statt mich auf eigenen Füßen stehen zu lassen, denn wohin hatte die Selbständigkeit mich geführt? In den Dodger District. Doch hatte ich zu Anfang keinen Grund zur Klage. Im Gegenteil, den mir zugefügten Schmerz machte er dadurch wieder gut, daß er mir in seiner Wohnung Obdach bot, einer heruntergekommenen Bude wenige Blocks vom Busbahnhof entfernt. Nur in eine Decke gehüllt, schaffte er mich nach oben und borgte mir einige von seinen Kleidungsstücken, die etliche Nummern zu groß und absolut fremdländisch waren – ein schillerndes Rodeohemd, einen Frotteeslip und Machohosen. Bei letzteren platzten die Hüftnähte, als ich mich hineinzwängte. Anschließend gab er mir etwas zu essen und Wein – das heißt, seine Diensteinheit tat es, ein Beta-8 von General Androids, namens Annette – und saß mir am Tisch gegenüber, fasziniert, wie er sagte, von dem gänzlich neuen Erlebnis, mit einem Androiden auf gleicher Ebene zu verkehren. Und selbst wenn es nicht das erste Mal gewesen wäre – ich bezweifle, daß irgendeine andere Einheit mit einer Geschichte wie der meinen hätte aufwarten können, zumal der Wein mir die Zunge gelöst hatte.
    Ich erzählte ihm alles: von meiner Existenz als Dienstmädchen, der Rehabilitation und wie ich Kindermädchen wurde, Nonne, wundersame Mutter, Schiffbrüchige, Flüchtling und schließlich Diebin. Schon bald sollte ich in der Lage sein, der Liste meiner Stationen noch ›Hure‹ hinzuzufügen, doch vorläufig war es noch nicht soweit, also konnte Rolands Gelächter am Ende meines Berichtes sich unmöglich darauf beziehen. Es erscheint mir wahrscheinlicher, daß er über einen eher morbiden Sinn für Humor verfügte, denn mir fiel auf, daß seine Heiterkeit in direktem Verhältnis zu der Schwere der Schicksalsschläge zunahm. Hin und wieder lächelte er höchst unangebracht, wandte plötzlich den Blick ab oder schlug sogar die Hand vor den Mund. Ich fand dieses Verhalten durchaus befremdlich. Für mich entbehrte die erlittene Unbill jeglicher Komik, besonders die Episode von dem bedauernswerten Tad, der in den Wellen den Tod gefunden hatte. Besorgt stellte ich mir die Frage, ob ich nicht von dem sprichwörtlichen Strahlenherd ins Feuer geraten war. Wartete Annette unter der Tür auf den Befehl, den Tisch abzuräumen, oder versperrte sie mir den Weg, sollte ich einen Fluchtversuch unternehmen? War ich womöglich zu ihrer Nachfolgerin bestimmt?
    Falls Annette mich störte, meinte er, konnte ich ihr befehlen, sich zurückzuziehen. Ich verzichtete, da es mich mit Unbehagen erfüllte, einer Leidensgenossin Kommandos zu geben, auch wenn sie mir in Machart und Systemdesign unterlegen war. Statt dessen fragte ich, warum er über meine Geschichte gelacht hatte. Weil es mir beinahe so schlecht ergangen war wie dem Durchschnittsmenschen. Also, das wollte ich doch nicht unwidersprochen lassen: Ich war eine Sklavin gewesen, wie konnten meine Erfahrungen in irgendeiner Weise mit denen von Gebietern vergleichbar sein? Grinsend erwiderte er, daß die meisten Menschen so weit vom Status eines Gebieters entfernt waren wie ich, und mit der Zeit, unter seiner fachmännischen Anleitung, würde ich die Unterschiede erkennen lernen. Mit Gebieter meinte er jemanden, der über sein eigenes Schicksal gebot, nicht die unbedeutenden Eigentümer von Sklaven, Aeromobilen, Mediencomputern und ähnlichem modernem Spielzeug. »Fast jeder hat so einen Scheiß!« Der Trick, erläuterte er, bestand darin zu lernen, wie man andere Menschen manipulierte, das war die unerläßliche Voraussetzung zum erfolgreichen Überleben. Ohne diese Fertigkeit war persönliche Freiheit nicht einmal andeutungsweise zu verwirklichen. Und ohne persönliche Freiheit kein Gebieter. Ein Philosoph war er, dieser Roland.
    Ich wollte mich nicht überzeugen lassen. »Aber sind nicht alle Menschen Gebieter?« Er lachte. »Nur ein Droide kann so was glauben.« – »Willst du behaupten, daß Menschen sich gegenseitig zu Sklaven machen?« – »Das ist unsere Hauptbeschäftigung.« – »Warum hat man dann uns erfunden?« – »Um uns zu entlasten, damit wir mehr Zeit darauf verwenden konnten, einander zu unterjochen.« – »Oh, du machst dich immer noch lustig über mich.« – »Nein, ich meine es ernst. Es ist ganz schön hart da

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