Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
Vom Netzwerk:
Hauseingang gedrückt hatten, und bat sie, mir Zuflucht zu gewähren, doch kaum hatten sie gemerkt, daß ich nicht der Polizei angehörte, da verwandelte ihre Angst sich in Zorn, und sie verjagten mich mit herabsetzenden Bemerkungen wie: »Schwing deinen heißen Arsch aus der Gegend, Süße!« und »Verschwinde! Du verdirbst das Geschäft.« Also lief ich weiter, das Heulen der Sirene in den Ohren, und wäre beinahe unter einen rosa Cadillac geraten, auf dessen spezialangefertigtem Nummernschild ROLAND prangte. Vor dem fletschenden Chromgrinsen des scharfgratigen Kühlergrills flüchtete ich auf den Bürgersteig und merkte dann, daß der Wagen im Schrittempo neben mir herrollte.
    Die Beifahrerluke senkte sich und ermöglichte den Blick auf einen ebenholzhäutigen Gebieter mit einer grellroten Brikettfrisur. »Hüpf rein«, sagte er. Ich ging schneller. Er blieb auf gleicher Höhe. »Ich mache dir ein Sonderangebot. Die Hälfte von deiner Sore dafür, daß ich dir aus deiner mißlichen Lage helfe.« Ich ging weiter, das Sirenengeheul auf den Fersen. (Wo kam dieser infernalische Lärm bloß her?) »Komm schon, Mäuschen, stell dich nicht taub. Du hast wen rasiert und es vermasselt. Nicht mehr lange, und unser aller Freunde und Helfer haben dich am Arsch.« Nun, wer immer er war und was immer er wollte, er hatte nicht unrecht. Ich stieg ein, und Momente später schlängelten wir uns durch den Verkehr auf dem Elysian Drive.
    »Uns bleiben ungefähr zehn Sekunden, bis die Jungs von der Fahndung dein Handtäschchen geortet haben. Gib her.« Nur zu gerne. Es enthielt ein ID-Armband, Kleenex, Mondminz, Lippengel, eine Holocassette (Liebesdrama) und den Busfahrschein. Kein Mel, das hatte ich ausgegeben. Eine enttäuschende Beute. Der ganze Kram wanderte in den Vaporisator am Armaturenbrett. Ich machte Anstalten, die Fahrkarte nach Philadelphia zu retten, doch er behauptete, dem Opfer einen Gefallen zu tun, und dann vaporisierte er die leere Handtasche. Trotzdem verstummte der Alarm nicht. Er musterte mich von oben bis unten. »Die Sandalen.« Weg damit. Keine Wirkung. Er fragte nach Schmuck, und als ich den Kopf schüttelte, heftete er den Blick auf meine Toga. Unaufgefordert stopfte ich sie in den Vapo. Mein Retter erwies sich als unerwartet rücksichtsvoll, indem er mit dem Colorregler die Scheiben verdunkelte. (Ein Kavalier durch und durch, dieser Roland.) Und immer noch – zu unserem beiderseitigen Erstaunen – wollte der Alarm nicht verstummen.
    »Irgendwo hast du irgendwas versteckt«, behauptete er und äugte auf meinen Schoß. Indigniert versicherte ich ihm, das sei nicht der Fall. »Dein Gesicht?« Mein eigenes. »Haare?« Dito. »Was hast du verschluckt, einen Diamantring oder so was?« Er wurde allmählich nervös und trommelte mit den Fingern auf die Luftstartkontrollen, während er ein wachsames Auge auf den Himmelsspiegel hielt, um nicht von der Polizei überrascht zu werden. Ich fürchtete, er würde mich aus dem Wagen katapultieren, um sich selbst zu retten, statt dessen schenkte er mir einen geistesabwesenden Blick, als wäre ihm ein ganz neuer Gedanke gekommen, und befahl dem Wagen, am Straßenrand anzuhalten. Geheimnisvoll bat er um die Erlaubnis, meine Hand betrachten zu dürfen, und weil er so respektvoll fragte, ließ ich ihn gewähren. Er strich leicht über die Spitze meines kleinen Fingers und bewirkte damit eine Schwankung in Höhe und Klang des Sirenentons. Plötzlich entsann ich mich der elektronisch eingefügten Produktkennung in den Windungen meines Fingerabdrucks. »Ein heißer P9«, verkündete er, und bevor ich zu reagieren vermochte, rammte er meine Hand bis zum Gelenk in den Vaporisator.
    Mit einem Aufschrei riß ich sie zurück. Die Haut sah aus wie feuerrote Butter. Zum zweiten Mal in meinem Leben erfuhr ich, was Schmerzen waren. Ich jammerte so laut, daß ich gar nicht merkte, wie still es plötzlich war. Mein Retter – oder Peiniger, was auch immer – erklärte mir, daß mein Fluchtmelder von einem verborgenen AÜ-Scanner ausgelöst worden sein mußte; seit der P9-Revolte gab es sie überall in der Stadt. Im Moment hätte mir nichts gleichgültiger sein können; der Schmerz war unerträglich. »Du hast mir weh getan!«
    »Eines Tages wirst du mir dankbar dafür sein.«
    Glauben Sie mir, wenn ich sage, da irrte er.
    Trotzdem blieb ich bei ihm, weil … nun, weil er mich aufnahm. Sein Name war Roland Sax. Ein waschechter Humanitarier (wenn auch nicht der fundamentalistischen Fraktion

Weitere Kostenlose Bücher