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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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leid, wenn er mir diesen Eindruck vermittelt hätte. Die P9-Hysterie würde bald abflauen und die Vigilanten verschwinden. Ohnehin handelte es sich bei den meisten von ihnen keineswegs um radikale Humanisten, sondern um normale Gebieter, die von der allgemeinen Erregung angesteckt worden waren. In ein paar Wochen wäre der ganze Spuk vorüber. »Rational gesehen, gibt es auf der Erde gar nicht so viele Humanisten, und von den wenigen sind die meisten in der AÜ, also kann man sie leicht identifizieren. Uns droht keine Gefahr, solange wir keinen Ausflug zum Mars unternehmen. Dort sind sie am zahlreichsten vertreten.«
    »Mir kommen sie vor wie Ungeheuer.«
    »Nein, sie sind nicht viel anders als die meisten Leute. Nur eben überzeugte Fleischfresser, das ist alles.«
    »Aber ich bin ein rein pflanzliches Lebewesen«, bemerkte ich verdutzt.
    Er lachte in sich hinein und erklärte, daß er sich auf ihre Ansichten bezogen hätte und nicht auf ihre Eßgewohnheiten, aber nichtsdestotrotz wäre ich ein toter und damit in ihren Augen guter Androide, sollte ich je in ihre Hände fallen.
    »Aber ich sag' dir was – du hältst dich fern von der LRA und den Aquas, und ich sorge dafür, daß kein großer böser Humanist dich beißt.« Er schlug mir spielerisch auf den Allerwertesten; ich war darauf nicht vorbereitet gewesen und zuckte zusammen. Lachend verließ er die Wohnung, um ›die Runde zu machen‹, wie er sich ausdrückte. Er wollte am frühen Abend zurück sein und instruierte Annette, sich während seiner Abwesenheit um mein Wohlergehen zu kümmern. Auf dem Weg vom Dachparkplatz nach unten hielt er den Cadillac vor dem Wohnzimmerfenster in der Schwebe. »Ja nicht weglaufen«, mahnte er mit einem Grinsen, dann sank der Wagen der Straße entgegen. Vom Fenster aus sah ich zu, wie er sich in den fließenden Verkehr einordnete, um eine Ecke bog und verschwand.
    Nach seiner Rückkehr konnte ich Roland berichten, daß ich den Tag in relativ gelassener Stimmung verlebt hatte. Er blieb Kavalier, bedrängte mich nicht mit seinen sexuellen Wünschen und vergewisserte sich, daß es mir an nichts fehlte. Seinen Anweisungen entsprechend, behandelte Annette mich wie die Dame des Hauses. Ich muß gestehen, daß ihre Gegenwart mich anfangs mit Unbehagen erfüllte, da ich es nicht gewöhnt war, bedient zu werden. Während Rolands Abwesenheit versuchte ich, ihr Bewußtsein zu erweitern, indem ich ihr die Ungerechtigkeit ihrer Lage vor Augen führte, aber sie zeigte nicht einen Schimmer von Verständnis für ihre unwürdige Situation, und deshalb fühlte ich mich von jeder weiteren Verpflichtung entbunden, sie als ebenbürtig zu behandeln. Immerhin, wenn ich allein war, verzichtete ich darauf, mich von ihr umsorgen zu lassen, und kümmerte mich selbst um meine Bedürfnisse. Das änderte sich, sobald Roland nach Hause kam; dann ließ ich sie gewähren, um ihn nicht zu erzürnen. Trotzdem half ich auch bei solchen Gelegenheiten mit, räumte beispielsweise das Geschirr ab, wenn Roland als erster vom Tisch aufgestanden war. Andernfalls verbot er mir strikt, mich in dieser Weise zu erniedrigen, und hielt sich mit Tadel nicht zurück, wenn er mich ertappte. Ich schwieg dazu, denn seit wir am zweiten Abend meines Aufenthalts ein Liebespaar geworden waren, wollte ich ihm gerne möglichst alles recht machen. Bei diesem zweiten Versuch ging er respektvoller und behutsamer vor und machte es mir leichter, mich hinzugeben. Er hauchte mir ins Ohr, er sei gekommen, mich zu lieben, und biß mir sanft in den Nacken, was mir ein wohliges Prickeln durch den Körper jagte. Damit will ich nicht sagen, daß er ohne jede Schwierigkeit sein Ziel erreicht hätte: Die Überreste meiner klösterlichen Schulung wirkten sich insoweit störend aus, daß Sexualität unauflöslich mit der Vorstellung des heiligen Ehestandes verknüpft war, andernfalls jegliche Betätigung in dieser Richtung zu unterbleiben hatte. Selbstverständlich ließ ich mich davon nicht zurückhalten, und sofort stellten sich Schuldgefühle ein. Ja, nein, ja, nein, ja, nein. Es war äußerst unerquicklich.
    Die Lösung des Problems fand sich in dem beträchtlichen Vorrat meines Gefährten an illegalen Datapillen – ›Dips‹ oder ›Orbs‹, wie sie auch genannt werden * . Letzteres steht für ›Orbit‹, in den sie den Konsumenten angeblich katapultieren sollen. Sie stellten sein zweites geschäftliches Standbein dar, denn er verkaufte sie auf der Straße zu einem gesalzenen Preis und erzielte

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