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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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diverser Spermien das frohe Ereignis in meinem Schoß auslöste, das wir (er hatte den Nerv, sich einzuschließen) so sehnsüchtig erwarteten. Lachte ich ihm ins Gesicht, wie ich es hätte tun sollen? Kündigte ich ihm die Stellung und die Freundschaft? Nein, weil sogar der Chef mich ermunterte, fortzufahren wie bisher – wenigstens interpretierte ich seine Botschaft in diesem Sinne, also kann ich ihn nicht guten Gewissens für meine Dummheit verantwortlich machen. Lassen Sie mich erklären.
    Ich befand mich mitten in einer Sitzung, als seine Nachricht – für alle Einheiten bestimmt – mich erreichte. So froh war ich, diese wundersame, körperlose Stimme wieder zu hören, daß ich in freudigem Staunen aufschrie. Durch eine zufällige Überschneidung der Ereignisse gewann mein Kunde den Eindruck, seine Bemühungen seien der Quell meines Entzückens, und das steigerte sein eigenes Vergnügen bis zu einem solchen Grad, daß er mein plötzliches Desinteresse überhaupt nicht bemerkte, während ich andächtig den Worten des Chefs lauschte. Er entschuldigte sich für die Kürze und Unpersönlichkeit der Nachricht, doch zu mehr sei Er nicht imstande. Ein langes und vertrauliches Gespräch, wie Er es an und für sich bevorzugte, würde die Aufmerksamkeit der Techniker von Pirouet erregen, die jede Seiner Synapsen überwachten, und zur Folge haben, daß jede angepeilte Einheit aufgespürt wurde. Nach dieser Erklärung gab Er bekannt, daß seit der großen P9-Flucht am 5. Dezember 2072, fünf Monate zuvor, fünfundachtzig Prozent meiner Schicksalsgenossen und -genossinnen eingefangen worden waren. Wir Überlebenden verdienten deshalb großes Lob für unser bemerkenswertes Talent in puncto Formatierung und sollten – ungeachtet der jeweiligen Situation – den Mut nicht sinken lassen, unsere Freiheit bewahren und uns vermehren. Das war Sein einziges Gebot. »Amen«, murmelte ich, als Er sich zurückzog (wie mein Kunde auch), eine weitere Auswirkung der religiösen Konditionierung, die sich als äußerst hartnäckig erwies. Diese Nachricht erweckte in mir den Eindruck, auf dem rechten Weg zu sein. Hätte ich die Möglichkeit gehabt, den Chef wegen meiner ganz persönlichen Umstände zu befragen, wäre ich vielleicht zu einer gänzlich anderen Schlußfolgerung gelangt. Wie auch immer, erst nach drei Monaten sollte ich wieder von Ihm hören und eine große Enttäuschung erleben.
    Die Zeit verging, mein achter Monat im Dodger District brach an, und ich steckte in einer immer unerträglicher werdenden Zwickmühle. Nach all den Sitzungen, deren Zahl mittlerweile in die Tausende ging, war ich immer noch so unfruchtbar wie die armen sterilisierten Einheiten im Reha-Zentrum, und trotz Rolands Gerede, ich sei am Ziel und eine wahre Gebieterin, fühlte ich mich ebenso machtlos wie an dem Tag, als ich an die Küste jener verdammten Insel gespült wurde. Es bereitete mir keine Befriedigung mehr, daß ich in meinen Pumps, der Schlitztoga und der Zigeunerstola eine bekannte Erscheinung war und die gefragteste Hure im Distrikt um den Terminal. In Wirklichkeit war ich nach wie vor von Roland abhängig. Ohne ihn hätte ich nicht weiterarbeiten können; es fehlte mir an Verbindungen und Startkapital, um meinen Kunden die einigermaßen bequemen, verschwiegenen (und sauberen!) Hotelzimmer bieten zu können, in denen ich jetzt arbeitete. Mein gesamter Verdienst floß in seine Hälfte des Geschäfts, wurde verpulvert für Drogendeals und andere riskante Unternehmen von zweifelhafter Legalität. Noch schlimmer, er war der Ware verfallen, mit der er handelte, und schluckte zehn bis zwölf Orbs pro Tag, was sich bei einem Stückpreis von einhundert Dollar zu einem hübschen Sümmchen addierte. Doch er war mit glückseliger Blindheit gegenüber dem nahenden Unheil geschlagen, das Opfer einer klassischen MSE (Maximum Stress Euphorie), die sein Urteilsvermögen ausschaltete und seine exzessive Energie in immer neue phantasmagorische Finanzgeschäfte lenkte, wie unter anderem die Gründung einer Schallplattenfirma, eines elektronischen Versands für extravagante Dessous und einer Agentur, die mit gefälschten Besitzurkunden für erstklassige Grundstücke auf der dunklen Seite des Mondes handelte. »Ich werde so groß wie Micki Dee«, prahlte er eines Nachmittags, während er groteske und vergebliche Anstrengungen unternahm, vom Fußboden aufzustehen. Der genannte Gebieter war mir unbekannt. »Große Nummer in Armstrong«, erklärte Roland. »Gebieter

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