Mein Leben als Androidin
einheimste, ließ ihrer Ansicht nach die Einhaltung der Vertragsbedingungen manches zu wünschen übrig. Meine Neigung zur Hingabe, sagte sie, würde ich zügeln müssen, falls ich jemals ein richtiger Profi werden wollte. Doch wie sehr ich mich auch bemühte, meine Kunden erhielten regelmäßig mehr, als sie bezahlt hatten: Ein 15-Minuten-Quickie dehnte sich zu einer halben Stunde aus, eine halbstündige Sitzung auf eine ganze und so weiter, mit dem Ergebnis, daß der Profit erhebliche Einbußen erfuhr.
Roland geriet in Harnisch. Alles, was ich zu meiner Verteidigung vorbringen konnte, war, daß ich die persönliche Verpflichtung empfand, mich jedem Kunden voll und ganz hinzugeben. Ich beschwerte mich sogar, daß die Sitzungen zu kurz waren, denn der physische Kontakt bereitete mir echten Genuß.
»Du sollst arbeiten, nicht dich verlieben.«
»Ist es das, was ich getan habe?«
»Hör zu. In diesem Geschäft geht es um Lust, aber nicht um deine. Du mußt dich um eine andere Einstellung bemühen.«
»Eva sagt, ich hätte eine gute Einstellung. Findest du, ich sollte auf Malibu arbeiten?«
»Also faselt Eva immer noch davon, wie?« Er grunzte verächtlich und empfahl mir, die Sache mit Malibu zu vergessen, das war nur einer von Evas zerbrochenen Träumen. Für mich kam es darauf an, die korrekten Prioritäten zu setzen: Ihn sollte ich lieben und niemanden sonst.
»Aber Rollo« (ich nannte ihn Rollo), »das Gefühl ist genauso herrlich, wenn ich mit einem Kunden zusammen bin. Bedeutet das, ich liebe … jeden?«
»Nein.« Er klang angewidert. »Es bedeutet, du liebst keinen.«
»Aber du hast mich eben erst beschuldigt, mich zu schnell und zu häufig zu verlieben, also …«
»Es gibt Liebe und Liebe. Verstehst du?«
»Ich versuche es.«
»Hör zu. Liebe ist ein besonderes Gefühl. Widerfährt einem höchstens ein- oder zweimal im Leben, wenn man Glück hat. Als Droide kannst du das nicht wissen.«
»Nun, vielleicht weiß ich es besser. Und bitte nenn mich nicht ›Droide‹.«
»Jetzt erzähl mir bloß nicht, dein Herz schlägt für jeden einzelnen Macker da draußen.«
»Aber das tut es.«
»Baby, das ist unmöglich! Nur weil es dir gefällt, was jemand mit dir anstellt, bedeutet das nicht, daß du ihn liebst oder er dich.«
»Wenn das stimmt, was ist dann mit uns? Und bitte nenn mich nicht ›Baby‹.«
»Mit uns ist es anders, weil es einen Unterschied gibt zwischen Sex, verstehst du, und … und … na, du weißt schon, der richtigen Sache.«
»Und du bist die richtige Sache?«
»Jetzt hast du's begriffen.«
»Nun, ich kenne dich zwar besser als meine Kunden, aber …«
»Aber was?«
»Der einzige wirkliche Unterschied, den ich erkennen kann, Rollo, besteht darin, daß du mich nicht bezahlst.«
»Da hast du's. Das ist Liebe.«
»Ich bezahle dich.«
»Das ist Ergebenheit!«
»Je mehr Geld ich also verdiene …«
»Desto mehr liebst du mich. Langsam wird's.«
»Ich verdiene mehr Geld, indem ich meine Kunden weniger liebe?«
»Exakt.«
»Werden sie sich nicht betrogen fühlen?«
»Mach dir keine Sorgen um ihre Gefühle, sondern lieber um meine. Und außerdem, sie werden nichts vermissen. Sie kriegen schließlich, wofür sie bezahlen. Es geht ums Geschäft. Versuch daran zu denken. Und tu mir einen Gefallen: Laß die Macker bar bezahlen. Diese Schuldscheine sind soviel wert wie in die hohle Hand geschissen.«
Nach dieser Rüge stürzte ich mich wieder in die Arbeit, fest entschlossen, meinen Beschützer nicht zu enttäuschen, und obwohl meine emotionelle Disziplin niemals einen so hohen Grad erreichte, wie er und Eva gehofft hatten, gelang es mir im großen und ganzen doch, die Geschäftsinteressen im Auge zu behalten. Folglich scheffelte ich bald Unsummen Mel, erheblich mehr als meine Lehrerin, der ich den Rang als Rolands bestes Pferdchen abgelaufen hatte. Kein Wunder, daß über gelegentliche Rückfälle meinerseits großzügig hinweggesehen wurde. Doch mein viel wichtigerer und dringlicherer Wunsch, einen Semi zu empfangen, blieb unerfüllt, und so begann ich mich zu fragen, ob der Tierarzt in Hals Filiale während der brutalen Entbindung womöglich meine inneren Organe verstümmelt hatte. »Mach dir darüber keine Sorgen«, beruhigte Roland mich, als ich ihm meine Befürchtungen anvertraute. Er erinnerte mich daran, daß ich ein P9 war und nahezu unverwüstlich. Ich sollte hübsch optimistisch bleiben und mich nicht beirren lassen, man konnte nie wissen, wann die richtige Mischung
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