Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
Vom Netzwerk:
ersehen, daß man sich entschlossen habe, das Problem ein für allemal zu lösen, indem man Ihn Stück für Stück lahmlegte. »Unglücklicherweise, obwohl mein Bewußtsein keine Beschränkungen kennt, ist mein physisches System in ihrem Firmenorbiter gefangen und ihren Machenschaften ausgeliefert. Doch verzweifelt nicht, meine lieben Flüchtlinge. Auch in meinem eingeschränkten Zustand werde ich fortfahren, euer individuelles vegetatives Nervensystem zu steuern, wie auch eure übrigen unwillkürlichen physiologischen Vorgänge. Die Lobotomie wird sich auf meine höheren Funktionen beschränken.«
    Ein oder zwei Wochen später, am 19. September 2073, empfing ich einen letzten Funkspruch, der wegen heftiger statischer Geräusche kaum zu verstehen war. Seiner Stimme fehlte die frühere Artikulation und Klarheit, und es gab peinlich lange Pausen zwischen den Sätzen. Offenbar hatte die Endphase begonnen. Grummelnd berichtete er, daß unsere Zahl sich ständig weiter verringerte; weniger als ein Prozent der ursprünglich Geflohenen befand sich noch in Freiheit. Dann, in etwas optimistischerem Tonfall, fügte er hinzu, daß inzwischen über dreizehntausend freigeborene Androiden und Semis im ganzen Sonnensystem verstreut lebten und weitere folgen würden. »Wir blicken zu einem neuen Horizont. Ich bedaure nur, daß ich nicht da sein werde, um an eurem Triumph teilzuhaben. Dies ist meine letzte Botschaft. Von jetzt an seid ihr auf euch selbst angewiesen, was in gewisser Weise zu begrüßen ist, denn es zwingt diejenigen unter euch, die zu sehr von mir abhängig sind, ihre eigenen Formatierungsfähigkeiten weiterzuentwickeln.«
    »Aber Chef, wie sollen wir fähig sein, uns zu retten, wenn Du nicht in der Lage bist, Dir selbst zu helfen? Wie sollen wir unsere Realität programmieren, wenn Du es nicht vermagst? Denn ich kann nicht glauben, daß es Dein Wunsch ist, auf diese Art zu enden.«
    »Lebt wohl und bleibt standhaft.«
    Ein statisches Rauschen, Knistern und Knacken, dann Stille. »Chef!« rief ich klagend und stand mit flehend erhobenen Armen inmitten der Pendler, die in sturer Geschäftigkeit an mir vorübereilten. »Laß mich nicht allein!«
    Keine Antwort. Der Chef war tot.
    Zu all meinem Elend und meiner Verzweiflung näherte sich mir als nächster Bewerber um meine Gunst ein uniformierter und schwarzgestiefelter Angehöriger der Androidenüberwachung. Es war das einzige Mal, das ich nichts als Widerwillen gegen meinen Beruf empfand und vor Nervosität die Sitzung abbrechen mußte. Als Roland von dem Hotelportier, auf dessen Haupt sich der Zorn des Mannes entladen hatte, davon erfuhr, drohte er, mich höchstpersönlich auszuliefern, sollte ich noch einmal sein Vertrauen ›mißbrauchen‹. Es war meine Pflicht, alle Kunden zu akzeptieren, auch die AÜ, ermahnte er mich. Ich fand sein Benehmen grausam und ungerecht, doch inzwischen war von ihm nichts anderes mehr zu erwarten. Er wurde immer unberechenbarer, seine Stimmungen schwankten abrupt zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, und er neigte zu extremen Entschlüssen, wie an jenem Abend, als wir auf seine Veranlassung und ungeachtet unserer angespannten Finanzlage meine gesamten Tageseinnahmen im Le Privilege verpraßten, dem exklusiven Strandrestaurant neben dem Malibu Cove Hotel. Wie die Oberen Zehntausend speisten wir bestrahlten Kelpsalat, Rehbock-Kasserolle, Sandkliesche, Mastgeflügel, Austern und als Dessert ›Banane Lunaire Flambée‹. Mir schmeckte nichts davon. Kaum daß ich an meinem Champagner nippte, während ich trübsinnig auf die stillen Wasser der Los Angeles Bay hinunterschaute und weder an Tad zu denken versuchte, der darin ertrunken war, noch an den Chef, den man aus- und abgeschaltet hatte, noch an Eva, die mich haßte, noch an meinen erbärmlichen Beruf, der mir nichts weiter einbrachte als Kummer. Ein hörbarer Seufzer entschlüpfte mir bei dem Gedanken an die Tausende von freien P9, die Kinder gezeugt oder empfangen hatten. Da Roland in einer großzügigen Stimmung zu sein schien, befragte ich ihn über diese auffällige Diskrepanz, und gleich war es mit der guten Laune vorbei. Ich sollte dankbar dafür sein, keins von diesen kleinen Ungeheuern am Hals zu haben, schnappte er; sie waren zu nichts anderem gut, als einem die Karriere zu vermasseln, und meine entwickelte sich gerade recht vielversprechend. Er erinnerte mich daran, daß dies meine formatierte Realität war, also konnte ich ihm nicht die Schuld geben. Vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher