Mein Leben als Superagent
Freunde, die dich geliebt haben und die wichtiger waren als so ein Zweijähriger, den du gerade erst kennengelernt hattest. Ich kenne Fotos von mir in dem Alter – okay, ich war niedlich, aber sooo niedlich nun auch wieder nicht.
Was mich am allermeisten belastet: Erwartet man von mir, dass ich als erwachsener Mann Kriege verhindere oder neue Energiequellen erschließe, nur weil du mir als Kleinkind das Leben gerettet hast? Darf ich trotzdem ein ganz normaler Junge sein, der haufenweise Fehler macht, vielleicht sogar mehr Fehler als ein Durchschnittskind? Ich glaube, ich will damit Folgendes sagen: Ich hab dich nicht darum gebeten, mich zu retten, aber ich bin froh, dass du es getan hast.
Ich drücke die Enter-Taste und schaue zu, wie mein Beitrag in Zeit und Raum entschwindet.
Die Liebe zum Film ist erblich
Ich mache mit Margot einen Deal: Ich lese ein Kapitel von einem der Bücher auf meiner Leseliste, dafür gönnt sie allen Mustangs eine Atempause und erspart uns den Freitag, der dem Thema »Bruchrechnen« gewidmet ist. Ich hab zwar null Lust auf Lesen, aber noch viel weniger Lust hab ich auf so einen bekloppten Wettbewerb gegen eine der anderen Camp-Gruppen, in dem es um Bruchrechnen und Teilmengen und so einen Schrott geht.
Teilmenge
Ich setze mich mit Bodi auf mein Bett und versuche zu visualisieren,so wie Margot es Carly und mir beigebracht hat. Ohne Margot ist das schwerer, aber ich lasse mir Zeit und gebe mir Mühe, mir jede Kleinigkeit der Geschichte vorzustellen. Ich versuche sogar zu prophezeien, was in der nächsten Szene passiert. Ich schaffe das halbe Kapitel, dann brauche ich eine Pause.
prophezeien
Bodi stemmt mir die Vorderpfoten auf die Brust und ich sauge die frische Brise ein, die durch mein offenes Fenster hereindrängt. Dann greife ich mir Stifte und Zeichenblock und gehe alle Zeichnungen durch, die ich in den Ferien bisher gemacht habe. Beim Durchblättern kommt mir eine Idee. Ich halte den Block mit einer Hand und lasse die Blätter wie bei einem Daumenkino durchflippen, und auf einmal kommt mir die Geschichte meiner Sommerferien wie ein Film vor: Mom, wiesie über die Wäsche hechtet, ich, wie ich auf dem Dachboden herumstöbere …
Ein bisschen fühle ich mich wie Carly, wenn sie gierig drauf wartet, sich auf den nächstbesten Lehrer zu stürzen: Ich kann’s kaum erwarten, Margot mein Vokabel-Daumenkino zu zeigen. Aber erst mal muss ich das jemand anderem zeigen.
gierig
Dad macht gerade dem Unkraut entlang der Auffahrt den Garaus. Als ich ihm meine neueste Erfindung vor die Nase halte, nimmt er den Kopfhörer ab, wischt sich die verschwitzten Hände ab und blättert den Skizzenblock selber durch.
den Garaus machen
»So was hab ich in deinem Alter auch ständig gezeichnet«, sagt er. »Schade, dass ich nicht draufgekommen bin, auf die Art Vokabeln zu lernen. Vielleicht hätte mich Mrs Patrick dann nicht so oft anschreien müssen.«
Ich rubbele die Ecken meines Blocks sauber, die Dad mit seinen Gartenfingern schmutzig gemacht hat.
»Kriegst du da nicht gleich Lust, dich auf deine Leseliste zu stürzen und den ganzen Block mit neuen Wörtern zu füllen?«, fragt Dad.
Und wutsch! ist meine schöne neue Erfindung vergiftet – weil sie mit Arbeit in Verbindung gebracht wurde. Ich gehe wieder ins Haus, um meine Zeichensachen wegzupacken. Auf dem Dachboden ist es brüllend heiß, aber ich stöbere die Kisten mit Weihnachtsschmuck und –beleuchtung auf und hole mir dann Henry von nebenan zu Hilfe. Gemeinsam schmücken wir die Bäume und Büsche im Vorgarten, selbst den Stamm der Palme, die neben unserer Einfahrt wächst. Ich stöpsele die Stecker ein, und dann lehnen wir uns gemütlich zurück und genießen die Blinklichtshow.
vergiftet
Weihnachtsschmuck
Das gäbe bestimmt auch eine coole Szene für mein Daumenkino ab – falls ich je beschließen sollte, wieder was zu zeichnen.
James Bond mal ganz anders
Eigentlich sollte es illegal sein, Kinder zum Mathe-Üben zu zwingen, wenn es draußen 30 Grad heiß ist und auf dem Kalenderblatt »August« steht. Als ich am Tor des Gefängniscamps darauf warte, dass Mom mich abholt, sehe ich Carly nur ein paar Meter von mir entfernt. Die meiste Zeit im Camp verbringt sie mit drei Mädchen, die zwischen den Unterrichtseinheiten immer Cheerleader-Sachen einstudieren. Wir haben uns ein paar Mal über den Schuligel Ginger unterhalten, mehr Kommunikation hat nicht stattgefunden.
illegal
Als Mom neben mir hält, kommt zu meiner
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