Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
das mich etwas ganz Besonderes mit diesen Brüdern verband. Allerdings war ich von Abu Suhails Reaktion nicht völlig überrascht. Ich erinnerte mich noch sehr gut daran, wie sehr er sich während der Ausbildung um uns gekümmert hatte. Er liebte uns wirklich und tat alles für unseren Erfolg. Ich konnte mir vorstellen, wie er sich gefühlt haben musste, als diese Tadschiken umkamen, und welchen Schmerz dieses Erlebnis ihm bereitet hatte. Ich konnte mir durchaus vorstellen, dass ihn dies in den Wahnsinn getrieben hatte.
Erst einige Wochen nach diesen Ereignissen kehrte Abu Bakr zusammen mit Abu Suhail ins Lager zurück. Dieser blieb aber nur einige Stunden da und wurde dann zur Erholung nach Pakistan geschickt. Ich sollte Abu Suhail nie wiedersehen.
Ich wusste, dass es für Abu Bakr höchst gefährlich gewesen war, mit einem Abu Suhail, der sich selbst nicht mehr verteidigen konnte, ganz Afghanistan zu durchqueren. Es wäre bei dem immer noch andauernden Bürgerkrieg in diesem Lande auch schon ohne diese Belastung ein gefährliches Unterfangen gewesen. Ich bewunderte Abu Bakr sehr für seinen Mut und seine Loyalität.
Er sprach mir gegenüber nie darüber, was genau dort in Tadschikistan geschehen war, aber mit der Zeit hörte ich doch von anderen einen Großteil dieser Geschichte. Nach Abu Suhails Zusammenbruch hatte er diesen zeitweise einigen Afghanen in der Nähe der Grenze anvertraut. Er selbst hatte die Tadschiken dann auf ihrer ersten Mission begleitet und dabei mehrere Russen getötet. Einige Brüder flüsterten sogar, dass er diesen Russen den Kopf abgeschnitten habe.
Abu Bakr begleitete oft die von ihm ausgebildeten Gruppen zu ihren Einsätzen in Kaschmir und Tadschikistan. Er wusste, dass die Übungen hier im Lager nicht mit dem echten Kampf vergleichbar waren. Deshalb wollte er sicherstellen, dass seine Schüler sich bei ihrem Einsatz an alles erinnerten, was sie von ihm gelernt hatten, und diese Fähigkeiten an der Front auch richtig einsetzen konnten. Mit der Zeit verstand ich, dass dies Abu Bakrs ganz spezielle Art war, jemandem seine Zuneigung und Liebe zu zeigen.
ARABER
Zwei Monate nachdem ich in Khaldan angekommen war, verließ Abdul Kerim das Lager. Ich habe mich nie von ihm verabschiedet. Ich kam an einem Nachmittag von der Ausbildung zurück, und seine Sachen waren verschwunden. Das war alles.
Allerdings war an Abdul Kerims wortlosem Verschwinden nichts Ungewöhnliches. Im Lager herrschte ein ständiges Kommen und Gehen, und man konnte sich deswegen nur selten von jemandem verabschieden. Niemand war darüber traurig. Wir alle wussten, dass wir aus einem ganz bestimmten Grund hier waren.
Viele Rekruten blieben wie ich mehrere Monate. Andere blieben nur ein paar Wochen da, um ganz spezifische Fertigkeiten zu erlernen, etwa wie man einen Konvoi angriff oder eine Brücke in die Luft jagte. Diese Gruppen stammten im Allgemeinen aus Tadschikistan, Usbekistan, Kirgisien, Kaschmir und Tschetschenien, also Ländern, die nicht zu weit von den Lagern entfernt lagen. Sie übten gewöhnlich unter der Anleitung Abu Bakrs oder Ibn Sheikhs ganz für sich allein, und wir bekamen nie zu sehen, was sie eigentlich machten. Manchmal verließ eine bestimmte Gruppe das Lager, nur um nach einiger Zeit wiederzukommen und etwas Neues zu lernen.
Nachdem Abdul Kerim gegangen war, verbrachte ich mehr Zeit mit Brüdern, die aus ganz anderen Ländern stammten. Ich mochte besonders die Kaschmiris. Sie erzählten mir von ihrem Krieg und betonten immer wieder, welch brutale und gnadenlose Feinde die Inder seien. Aber meistens sprachen sie von ihrer Heimat und von der Liebe, die sie für sie hegten. Ich war niemals zuvor Menschen begegnet, die mit solcher Inbrunst von der Schönheit ihres Landes – dessen Seen, Flüssen und himmelhohen Bergen – schwärmten.
Die Kaschmiris erzählten mir auch, wie sie ins Lager gelangt waren. Sie waren nicht wie ich über Peschawar hierhergekommen, sondern hatten zuerst mit einer Einheit des pakistanischen Militärs trainiert, die sie danach in die Lager geschickt hatte. Jeder von ihnen bestätigte und wiederholte mir diese Geschichte.
Die Tadschiken kämpften gegen die russische Besetzung ihres Heimatlandes und hassten die Russen ebenso leidenschaftlich, wie dies die Tschetschenen taten.
Einer der engagiertesten Brüder, die ich im Lager kennenlernte, war ein Tadschike. Neben der allgemeinen Ausbildung mit seiner Gruppe absolvierte er jeden Tag ganz allein ein
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