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Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story

Titel: Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Omar Nasiri
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Befehl. Mit dem Fuß erfühlte ich ganz vorsichtig meine Umgebung. Ich merkte, dass es rechts von mir steil nach unten ging. Also trat ich links neben die Brüder und tastete mich an ihnen vorbei über die Felsen ganz langsam bis zum Anfang der Menschenreihe vor.
    Nach einigen Minuten kam ich tatsächlich dort an. Ich hörte Ibn Sheikhs Stimme, ohne ihn sehen zu können. „Abu Imam, gib mir deine Taschenlampe.“
    Mist. Wie konnte er wissen, dass ich meine Taschenlampe dabeihatte? In meinem Kopf begann sich alles zu drehen, als ich mich daran erinnerte, was er uns vorher gesagt hatte: Jeder, der mit einer Taschenlampe erwischt werde, würde streng bestraft werden. Ibn Sheikh hatte mich schon oft bestraft, und diese Strafen waren eigentlich niemals leicht gewesen. Wie würde dann erst eine strenge Bestrafung aussehen?
    Aber da gab es nichts, was ich noch hätte tun können. Ich zog die Taschenlampe aus der Hose und ging ganz langsam in die Richtung, aus der Ibn Sheikhs Stimme gekommen war. Als ich dann vor ihm stand, fühlte ich nach seiner Hand und übergab ihm die Taschenlampe.
    Ibn Sheikh machte sie sofort an und leuchtete nach rechts. Dann verstand ich endlich, was passiert war: Ein Bruder war abgestürzt. Wir waren am Rand eines steilen Abhangs entlanggelaufen, er war gestrauchelt und etwa fünfzehn Meter nach unten gestürzt. Dabei hatte er noch Glück gehabt. Zwei große Felsbrocken hatten seinen Fall aufgehalten. Jetzt lag er eingezwängt zwischen ihnen.
    Einige von uns eilten hinunter, um ihm zu helfen. Ibn Sheikh führte sie mit der Taschenlampe in der Hand an. Als wir zu ihm gelangten, sah ich, dass es ein Tschetschene war – nicht einer aus meiner Gruppe, sondern einer der älteren, die ich an meinem ersten Tag im Lager in der Moschee kennengelernt hatte. Jetzt war er blutüberströmt, stöhnte leise vor Schmerz und konnte sich offensichtlich nicht mehr bewegen.
    Wir stellten aus herumliegenden Ästen und unseren Hemden eine behelfsmäßige Trage her, auf die wir dann den Tschetschenen legten. Danach trugen wir ihn im Laufschritt zurück ins Lager, wobei uns Ibn Sheikh mit meiner Taschenlampe den Weg wies.
     
    Es dämmerte fast, als auch der Letzte wieder ins Lager zurückgefunden hatte. Wir verrichteten unser Morgengebet und gingen dann zur Kantine hinüber, um zu frühstücken. Ein paar Minuten später kam ein Ausbilder herein und erzählte uns, dass unser Bruder sich einen Arm und ein Bein gebrochen habe und man ihn gerade ins Krankenhaus von Khost bringe.
    Gerade als wir unser Frühstück beendeten, betrat Ibn Sheikh die Kantine. Als er in meine Richtung ging, sank mir das Herz in die Hose. Ich bereitete mich innerlich auf eine schreckliche Bestrafung vor, da ich ja seinen direkten Befehl nicht befolgt hatte. Im ganzen Raum herrschte tiefes Schweigen. Jeder wollte hören, was er mir zu sagen hatte.
    Und dann tat Ibn Sheikh etwas Unerwartetes: Er gab mir die Taschenlampe zurück. „Vielen Dank, Abu Imam“, sagte er. „Vielen Dank, dass du mir deine Taschenlampe geliehen hast.“
    Die anderen Brüder waren genauso überrascht wie ich. Ich konnte sehen, wie ihre Blicke zwischen uns hin- und herwanderten, um herauszufinden, was hier gerade geschehen war. Aber Ibn Sheikh gab keine weiteren Erklärungen ab. Er setzte sich an den Tisch und begann zu frühstücken.

TALIBAN
    In Khaldan waren wir vom Rest der Welt abgeschnitten, was mir eigentlich recht gut gefiel. Hier gab es weder den Druck noch die Ablenkungen und Zerstreuungen, die das gewöhnliche Leben kennzeichnen. Wir konzentrierten uns nur auf eine Sache, nämlich echte Mudschahidin zu werden.
    Allerdings besaßen wir Radiogeräte. Heimlich versuchte ich von Zeit zu Zeit, spät in der Nacht eine Musiksendung zu finden. Manchmal waren seltsame Töne zu hören, die wohl aus China oder Indien stammten. Der Empfang war äußerst schlecht und störanfällig. Normalerweise verschwand der Sender sehr schnell wieder, und es begann zu rauschen. Ich erinnere mich nur an ein einziges Musikstück, das ich in der ganzen Zeit von Anfang bis Ende hören konnte: Zombie von den Cranberries.
    Nachrichten waren dagegen immer recht gut zu empfangen. Besonders BBC und RFI waren immer sehr klar zu hören. Die Brüder und ich waren begierig darauf, zu erfahren, was in unseren Heimatländern los war. In diesem Sommer und Herbst des Jahres 1995 gab es auch zahlreiche Meldungen über die Ereignisse hier in Afghanistan. Rabbani war zu diesem Zeitpunkt immer noch

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