Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
helfen. Als Gruppe seien wir mehr als die Summe der Teile, da jeder Bruder ganz bestimmte Fähigkeiten und sein ganz spezielles Wissen habe. Tatsächlich brachten wir einander ständig neue Dinge bei.
Ibn Sheikh stand auf und ging zu den anderen Brüdern hinüber, die immer noch jeden Schuss weit neben das Ziel setzten. Ich fragte mich, warum Ibn Sheikh wollte, dass ich meine Entdeckung für mich behielte.
Eines Nachts betrat Ibn Sheikh ein oder zwei Stunden, nachdem wir zu Bett gegangen waren, unseren Schlafraum und befahl uns, uns vor der Moschee zu versammeln. Außerdem dürften wir keine Jacken oder Schuhe anziehen. Und dann drohte er noch, dass jeder, der eine Taschenlampe mitnähme, streng bestraft werden würde.
Als ich nach draußen trat, merkte ich, dass der Himmel in dieser Nacht stockdunkel war und weder Mond noch Sterne zu sehen waren. Ich ging deshalb zurück in den Schlafraum und suchte in meiner Tasche nach der winzigen Taschenlampe, die ich auf dem Istanbuler Flughafen gekauft hatte. Ich verstaute sie in meiner Hose und suchte mir dann einen Weg über die Steine in Richtung Moschee. Ich konnte tatsächlich überhaupt nichts sehen, aber ich vernahm viele Geräusche. Ich hörte einige Brüder hinter mir und bekam mit, wie sie stolperten und fielen, als sie sich durch die Dunkelheit vorantasteten. Da ich auch direkt vor mir viele Stimmen hörte, wusste ich, dass ich in die richtige Richtung ging.
Als die Steine aufhörten und ich plötzlich festgetretenen Boden unter den Sohlen spürte, wurde mir klar, dass ich mich auf dem Platz vor der Moschee befand. Die Stimmen wurden immer lauter, deshalb griff ich mit den Händen so lange in die Dunkelheit hinein, bis ich plötzlich das Gesicht eines Bruders fühlte. Ich musste am richtigen Ort sein.
Während wir auf weitere Befehle warteten, fiel mir plötzlich auf, dass ich am ganzen Körper zitterte. Es war inzwischen Ende Herbst. Selbst am Tage wurde es immer kälter, nachts war es inzwischen fast unerträglich kalt.
Als wir alle eingetroffen waren, gab Ibn Sheikh seine Befehle aus. Wir sollten uns einer hinter dem anderen in einer langen Reihe aufstellen. Dann sollten wir die Hände auf die Schultern des vor uns stehenden Bruders legen.
Ich tat, wie geheißen, obwohl ich nicht einmal den Hals der Person von mir sehen konnte. Wir bildeten jetzt eine Schlange, die aus fast hundert Mudschahidin bestand. Ich war ziemlich am Ende der Reihe. Hinter mir befanden sich wohl nur noch einige wenige Brüder.
Wir begannen zu gehen. Keiner von uns konnte sehen, wohin er ging. Allerdings ging es nach einigen hundert Metern plötzlich steil bergauf. Unter meinen Füßen spürte ich nur noch harten Fels und spitze Steine. Meine Fußsohlen begannen immer mehr zu schmerzen, da ich niemals wusste, worauf ich im nächsten Moment treten würde.
So ging es etwa drei Stunden weiter. Zuerst gingen wir Richtung Westen. Das konnte ich aus dem Teil des Lagers schließen, durch den wir zuletzt gekommen waren. Aber nach einer gewissen Zeit hatte ich jeden Richtungssinn verloren. Ohne Bezugspunkte war eine Orientierung völlig unmöglich. Ich wusste nur, dass wir nun schon ziemlich hoch sein mussten, da der Weg steil nach oben führte und der Wind immer stärker durch mein dünnes Hemd blies.
Allmählich begannen die anderen Sinne die fehlende Sicht auszugleichen. Ich hörte das leise Rascheln der Kleiderstoffe im Wind, und ich konnte die Beschaffenheit der Steine unter meinen Füßen deutlicher unterscheiden. Manche waren härter, manche weicher. Jeder hatte eine unterschiedliche Temperatur. Mein Körper war jetzt endlich durchgewärmt, und meine Hände lagen jetzt ganz entspannt auf den Schultern meines Vordermannes. Die ganze blinde Menschenschlange schien endlich ihren Rhythmus gefunden zu haben.
Plötzlich prallte mein Körper ganz hart gegen den des Bruders vor mir, und der Bruder hinter mir lief voll auf mich auf. Die ganze Schlange war zum Halten gekommen.
Zuerst verstand ich nicht, was geschehen war, aber dann hörte ich ein leises Rauschen, das von vorne immer näher kam. Zuerst hielt ich es für den Wind, bis mir klar wurde, dass es das Geräusch flüsternder Stimmen war. Ein Bruder gab dem andern eine Botschaft weiter, die auf diese Weise immer weiter nach hinten wanderte. Ich konnte nichts verstehen, bis der Kaschmirer sich umdrehte und mir zuflüsterte: „Ibn Sheikh befiehlt, dass Abu Imam ganz nach vorne kommen soll.“
Ich war verwirrt, aber Befehl war
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