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Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story

Titel: Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Omar Nasiri
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war mehr als neugierig.
    „Das ist einer der Brüder aus dem Lager der Araber. Er bereitet sich auf einen Auftrag vor. Die anderen simulieren eine Verhörsituation mit ihm, für den Fall, dass er gefangen genommen wird.“
    „Warum können wir dabei nicht zusehen?“, fragte Abdul Kerim.
    Abu Mousa schüttelte den Kopf. „Weil wir nicht wissen, was er sagen wird. Er könnte etwas über seinen Auftrag verraten, und davon dürft ihr überhaupt nichts wissen.“
    Abu Mousa muss bemerkt haben, wie enttäuscht wir über diese Auskunft waren, denn wenige Augenblicke später bot er uns ein Buch über Verhörtechniken zur Lektüre an. Als wir dieses Buch aufschlugen, sahen wir, dass es in arabischer Sprache verfasst war. Der Text war viel zu anspruchsvoll für Abdul Kerim wie auch für mich, denn keiner von uns beiden sprach fließend Arabisch.
    Abu Mousa erklärte sich schließlich bereit, uns Teile des Buches laut vorzulesen. Wir gingen in unser Quartier, setzten uns nieder, und er trug den Anfang des Textes vor. Diese Lektion war von den ersten Sätzen an faszinierend und unglaublich detailliert. Das Buch gab zunächst einen Überblick über sämtliche Phasen eines Verhörs – von der Festnahme über die freundliche Befragung bis zu den Drohungen, auf die schon bald Folterungen folgten. Dann kam die Liste der verschiedenen Maßnahmen, zu denen die Verhörspezialisten greifen könnten: kopfunter in der Zelle aufhängen; Schläge mit der Hand, mit Stöcken oder Kabeln; tagelang nackt dastehen lassen; Fingernägel ausreißen; die Haut mit Zigaretten oder offenen Flammen verbrennen; Beißattacken von Hunden; Schläge auf die Genitalien oder Elektroschocks am selben Körperteil. Die Liste ging endlos weiter, und Abu Mousa sagte, all diese Foltertechniken seien in verschiedenen Ländern gegen die Brüder eingesetzt worden.
    Die erste Lektion war einfach: Ein Mudschahid darf niemals etwas preisgeben. Die beste Methode, Geheimnisse zu bewahren, bestand natürlich darin, sie gar nicht erst zu kennen. Ich begriff, dass dies der Grund dafür gewesen war, warum wir ganz am Anfang den Befehl erhalten hatten, uns mit niemandem über die Welt außerhalb des Lagers zu unterhalten. Der Grund dafür war nicht nur die Furcht vor Spionen gewesen. Sie wollten einfach sichergehen, dass keiner der Brüder zu viel verraten konnte, wenn er unter dem Druck der Verhörmethoden zerbrach.
    Die mit Abstand wichtigste Waffe des Mudschahid war jedoch nicht die Geheimhaltung, sondern der Glaube. Ein wahrer Mudschahid kann allem und jedem widerstehen, wenn er für Gott tätig ist. Er muss sich auf Folter und Verhöre ebenso vorbereiten wie auf jede andere Art des Kampfes. Das Buch sprach eine sehr deutliche Sprache: Ein Verhör ist eine Form der psychologischen Kriegführung. Und wie im richtigen Krieg war es ausgeschlossen, dass ein Bruder seinen Kampf verlieren konnte. Entweder er besiegte seinen Feind oder er starb als Märtyrer.
    Dennoch gab es auch ganz konkrete Maßnahmen, die der Vorbereitung dienten. Ein Bruder muss, bevor er einem Auftrag folgt, mit seinem Vorgesetzten besprechen, was er seinen Vernehmern im Fall einer Gefangennahme sagen wird. Er darf niemals von diesem Plan abweichen. Er darf niemals irgendeine Information preisgeben, und er muss erkennen, dass durch die Preisgabe seines Wissens niemals etwas zu gewinnen ist. Sie würde nur zu weiterer Folter führen, weil die Vernehmer davon ausgehen, dass es noch mehr Geheimnisse zu enthüllen gibt. Aber diese Vernehmer werden den Bruder niemals töten, weil er ihnen nach seinem Tod nichts mehr nützt.
    Abu Mousa erklärte uns, dass ein Verhör für einen Bruder eine große Chance sei. Hier könne er mehr über den Feind erfahren und falsche Informationen verbreiten, die ihm beim Erreichen der eigenen Ziele von Nutzen seien. Diese Art der Manipulation war sehr anspruchsvoll, und ein Bruder musste sich darin üben, so wie er auch den Gebrauch einer Waffe erlernen musste. Er musste lernen, wie man die eigenen Vernehmer aus der Reserve lockte. Je länger das Verhör andauerte, desto mehr Informationen gaben sie selbst über ihr Wissen und ihre Strategie preis. Der Bruder konnte diese Informationen für die Gestaltung der eigenen Antworten nutzen, er konnte dem Feind Lügen erzählen, die wie die Wahrheit klangen. Für einen Mudschahid war die Gegenwehr in der Verhörsituation nur eine weitere Kampftaktik.
     
    Ich dachte über das Gelernte nach, als Abu Mousa an jenem Nachmittag das Vorlesen

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