Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
Sheikh, der Führer und ich stiegen aus. Wir standen etwa 200 Meter vor dem Grenzübergang.
„Wir werden die Grenze zu Fuß überqueren“, sagte Ibn Sheikh zu mir. Der Toyota würde mit all den anderen Fahrzeugen durchkommen. Ibn Sheikh schärfte mir nochmals ein, ich solle nicht sprechen. Ein Wort auf Arabisch reichte für eine Verhaftung aus.
Als wir uns dem Kontrollpunkt näherten, sahen wir, dass eine große Menschenmenge in Richtung Grenze drängte. Ich reihte mich in die Schlange ein, und sofort spürte ich, wie ich von den Menschen hinter mir weitergeschoben wurde. Diesmal war ich zuversichtlicher als damals beim Grenzübertritt mit Abu Said. Ich wusste, dass Ibn Sheikh einen Plan hatte, wie er uns an den Grenzern vorbeibringen könnte.
„Abu Imam!“Ich hörte hinter mir meinen Namen rufen und wandte mich um. „Abu Imam!“Es war der afghanische Führer. Er und Ibn Sheikh standen bereits fünfzehn Meter hinter mir. Ich hatte nicht bemerkt, dass sie angehalten hatten. Beide Männer winkten hektisch und gaben mir Zeichen, zurückzukommen.
Ich drehte mich rasch wieder zum Kontrollpunkt um und sah, wie zwei Grenzer den Mann, den sie gerade durchsuchten, losließen und auf mich zurannten. Sie schrien mich an, aber ich verstand ihre Sprache nicht. Ich wusste, was in einer solchen Situation zu tun war: Ich blieb stehen und hob die Hände hoch. Plötzlich fühlte ich einen stechenden Schmerz im Bein. Einer der Grenzer hatte mich mit seinem Schlagstock getroffen. Der andere hob seine Kalaschnikow und legte auf mich an.
Ich sah, dass zwei weitere Grenzer Ibn Sheikh und den Führer festgenommen hatten. Sie schubsten die beiden in meine Richtung. Die Grenzer traktierten sie mit ihren Stöcken und traten sie brutal. Keiner schrie auf; beide verhielten sich völlig still. Wir waren alle trainiert, im Fall einer Gefangennahme so zu reagieren. Aber ich hatte dies noch nie in einer realen Situation erlebt, und ich war besonders von Ibn Sheikh beeindruckt. Er war der vielleicht vitalste Mann, den ich jemals getroffen hatte. Da war immer eine stolze Energie hinter seinem strengen Blick verborgen. Nun, in den Händen der Wachtposten, schien es, als sei alles Leben aus seinem Körper gewichen. Seine Augen waren vollkommen leer. Er hatte sich selbst vollständig transformiert.
Mir blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Wir mussten entkommen. Ich nahm Blickkontakt zu dem Afghanen auf und neigte den Kopf leicht nach links, in Richtung meiner Manteltasche. An seiner Mimik erkannte ich, dass er mich verstanden hatte: Dort war mein Geld. Der Führer flüsterte dem Grenzer, der ihn festhielt, ein paar Worte zu. Plötzlich ließ ihn der Grenzer los, der Afghane drängte sich in meine Richtung und griff in meine Tasche. Er nahm etwa die Hälfte der Geldscheine an sich. Es war das Geld, das mir Ibn Sheikh am Vorabend gegeben hatte. Diskret reichte er es an den Grenzer weiter.
Der besah sich die Scheine und flüsterte irgendetwas. Dann schubste er den Führer in meine Richtung zurück. Offensichtlich hatte der Grenzer das Geld geprüft, und jetzt wollte er noch mehr sehen. Der Afghane nahm mein restliches Geld an sich, und ich sah zu Ibn Sheikh hinüber. Der Grenzer hielt ihn mit einer Hand fest und schlug mit der anderen, die den Stock hielt, immer wieder auf ihn ein. Es war ein fürchterlicher Anblick. Diese Schläge mussten unglaublich wehtun. Aber Ibn Sheikh gab keinen Laut von sich. Er zeigte ein gelassenes Lächeln, während der Grenzer unentwegt zuschlug, und das machte den Prügler nur noch wütender.
Aber dann hörte die Knüppelei auf. Der Führer hatte das gesamte Geld übergeben. Die Grenzer ließen uns alle los und wiesen in Richtung des Übergangs. Ibn Sheikh war der Erste und warf mir einen wütenden Blick zu, als er an mir vorüberging.
Ich ärgerte mich mächtig über mich selbst, als ich durch den Kontrollpunkt ging. Es war mein Fehler gewesen, dass dies geschehen war. Ich begriff, dass Ibn Sheikh niemals die Absicht gehabt hatte, den Weg über den Kontrollpunkt zu nehmen. Er und der Führer waren nur in Richtung des Schlagbaums gegangen, um sich zu vergewissern, dass das Auto auch durchkam. Sie mussten einen anderen, geheimen Weg im Sinn gehabt haben, aber ich hatte alles verdorben, weil ich nicht aufgepasst hatte. Ich ärgerte mich über mich selbst. Ich hatte Ibn Sheikh enttäuscht.
Aber an diesem Abend lernte ich etwas – etwas Wichtiges. Ich hatte niemals die Art und Weise ganz verstanden, wie Amin
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