Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
mehrere Sprachen. Du bist klug, du bist mutig und du bist ungebunden. Aus all diesen Gründen sind wir der Ansicht, dass du der Umma am besten dienen kannst, indem du nach Europa zurückgehst.“
„Ibn Sheikh“, antwortete ich, „ich werde immer jeden Befehl befolgen, den du mir gibst. Aber warum kann ich nicht nach Tschetschenien gehen?“
Ich sagte das, aber ich meinte es nicht so. Natürlich wäre ich nach Tschetschenien gegangen, wenn Ibn Sheikh mir das an jenem Tag befohlen hätte. Ich glaubte an diesen Dschihad. Zu jenem Zeitpunkt war mein dringendster Wunsch allerdings, aus Derunta herauszukommen. Ich wollte etwas tun, irgendetwas, etwas Neues, das bedeutender war als das, was ich dort tat.
Ich war selbst überrascht von meiner freudigen Erregung, als Ibn Sheikh mir sagte, ich würde nach Europa zurückgeschickt. Fast ein Jahr lang hatte ich diesen Teil meiner selbst verdrängt. Ich hatte ihn in der Tat nahezu vollständig ausgelöscht. Ich war ein Mudschahid und konnte mir nicht leisten, an irgendetwas anderes zu denken. Hätte ich das getan, wäre ich daran zerbrochen. Das Leben wäre für mich unerträglich geworden, und andere hätten meine Maske durchschaut.
Plötzlich war alles wieder da, alles auf einmal, die vollständige Erinnerung. Mir fehlte mein westliches Leben. Mir fehlten der Wein und die Zigaretten. Mir fehlten das gute Essen, die Zeitungen und die weichen Leintücher. Und mehr als alles andere fehlte mir Sex.
Deshalb war ich diesmal, als Ibn Sheikh mir eröffnete, ich könne nicht nach Tschetschenien gehen, auch keineswegs niedergeschlagen. Ich war erleichtert.
„Die Brüder in Tschetschenien brauchen dich nicht für den Kampf in vorderster Front“, fuhr Ibn Sheikh fort. „Sie brauchen Geld. Und du kannst sie am besten unterstützen, indem du ihnen finanziell hilfst und über das Maktab Geld an die Lager schickst.“Er hielt inne. „Und was wir alle am dringendsten brauchen, das sind mehr Brüder im Land der kaffir.“
Ibn Sheikh war fertig. Er hatte mir einen Befehl erteilt. Und ich nickte zustimmend.
Dann veränderte sich sein Tonfall. „Kannst du unter deinem eigenen Namen reisen oder hattest du Ärger mit den Behörden?“
„In die Türkei könnte ich wohl einreisen, und dort könnte ich mir einen Pass kaufen.“
„Gut. Wir regeln das, wenn wir in Peschawar sind. Dein Pass und deine anderen Sachen sind dort in Abu Zubaydas Obhut. Wir reisen morgen ab. Du musst aber wissen, Abu Imam, dass dies für Araber in Pakistan eine sehr gefährliche Zeit ist.“Er klang düster. „Die Polizei hat im ganzen Land Häuser durchsucht. Ein Araber, der kein Visum vorzuweisen hat, wird verhaftet.“
Ich dachte an meinen Pass und an das Visum, das schon vor acht Monaten abgelaufen war.
„Und jetzt gib mir deine Notizbücher, Abu Imam.“Damit meinte er die Notizen, die ich mir während des Unterrichts bei Assad Allah gemacht hatte.
Ich öffnete die Autotür und rannte zu den Unterkünften hinüber, um meine Notizbücher zu holen. Ich kehrte zum Lastwagen zurück und übergab sie Ibn Sheikh. Er griff in seine Jacke und zog ein Bündel Geldscheine heraus.
„Hier, das ist für dich“, sagte er, als er mir das Geld überreichte. „Das ist ein Geschenk des Scheichs für jeden der Brüder.“Dann stieg er aus dem Auto und ging zur Moschee zurück.
Ich ging zu den Baracken und sah mir das Geld an. Er hatte mir pakistanische Rupien gegeben, im Gegenwert von etwa 400 Dollar. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Ahnung, wen er meinte, wenn er vom Scheich sprach, von dem das Geld stamme. Heute gehe ich natürlich davon aus, dass er Osama Bin Laden meinte.
Als ich in mein Zimmer kam, saß dort schon Abdul Kerim. Er hatte ebenfalls 400 Dollar erhalten.
Ich erzählte Abdul Kerim von meiner bevorstehenden Abreise, und er sah traurig drein. „Aber du bist nach mir gekommen, und jetzt gehst du vor mir!“, sagte er. Er schien es genauso eilig zu haben, aus Derunta wegzukommen, wie ich selbst.
„Hast du genug vom Dschihad, Abdul Kerim?“, fragte ich.
„Nein, nein. Darum geht es nicht. Ich möchte nur an die Front kommen. Ich will nach Europa zurück. Ich möchte mit meinem Auftrag beginnen.“
Das verstand ich natürlich. Ich wollte das auch, auf meine eigene Art.
„Mach dir keine Sorgen, Bruder. Deine Zeit wird bald genug kommen, inshallah.“
Er lächelte. „Inshallah.“
Ich war ganz ruhig an jenem Abend, als ich mich auf die Nachtruhe einrichtete, ruhiger,
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