Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
war mir auch ziemlich egal. Ich konzentrierte mich auf den bevorstehenden neuen Einsatz an vorderster Front. Aus vielerlei Gründen freute ich mich auf Afghanistan. Nach fast zwei Jahren der Langeweile in England wirkte die intensive Tätigkeit, die mich in den Lagern erwartete, verlockend. Und ich freute mich darauf, Ibn Sheikh und die anderen nach so langer Zeit wiederzusehen.
Meine Arbeit als Spion schien jetzt auch vordringlicher zu sein. Die Welt schenkte Afghanistan inzwischen Beachtung. Bin Laden hatte einige Monate zuvor seine Fatwa gegen die Vereinigten Staaten veröffentlicht, und jetzt, nach den Anschlägen auf die Botschaften, war die ganze Welt alarmiert. Jetzt endlich interessierte sich die Weltöffentlichkeit für das, was in den Ausbildungslagern vor sich ging.
Aber zwei Monate nach meiner Ankunft in Dakar sagte mir Philippe, der Auftrag sei abgeblasen worden. Ich war keineswegs überrascht. Seit Gilles das Thema im Gespräch mit mir in London das erste Mal erwähnt hatte, zweifelte ich daran, dass es jemals akut werden würde. Den Grund für die Absage wollte ich dennoch wissen.
„Sie haben herausgefunden, wer ich bin, stimmt’s?“Ich konnte Philippe kaum einmal eine Information entlocken, aber wenn ich ihm eine Vorlage gab, konnte ich manchmal an seiner Reaktion erkennen, ob ich den Nagel auf den Kopf getroffen hatte oder nicht. Diesmal verriet sein Gesichtsausdruck jedoch gar nichts.
„Es gibt eine ganze Reihe von Gründen“, sagte er. „Ein paar davon haben mit dir zu tun, einige andere mit dem, was in der Welt so passiert.“
Eine genauere Begründung erhielt ich nie.
Einige Tage später gab mir Philippe meinen marokkanischen Pass und nahm dafür den französischen Pass wieder an sich, den mir Gilles in Paris übergeben hatte. Der letzte Stempel im marokkanischen Pass stammte von meinem Aufenthalt in Dakar vor mehr als zwei Jahren, bevor ich nach London ging. Ich konnte ihn unmöglich benutzen. Sollte ich dieses Dokument beim Einchecken auf dem Flughafen vorlegen, würde ich sofort verhaftet werden, wenn die Beamten sahen, dass ich so lange ohne gültiges Visum im Land gewesen war. Auf meinen Protest antwortete Philippe mit der Bemerkung, ich solle mir keine Sorgen machen. Er meinte, in ein paar Wochen würde die DGSE einen neuen Pass für mich haben.
Natürlich kam dieser Pass nicht an, weder nach ein paar Wochen noch nach weiterer Wartezeit. Philippe begründete dies mit kleinen Verzögerungen, das Dokument könne jederzeit eintreffen. Nach wie vor ließ er mir Woche für Woche absurd hohe Geldbeträge zukommen.
Bald hatte ich die Nase voll und sagte Philippe, ich wolle, wenn ich schon nicht nach Afghanistan geschickt würde, nach Deutschland zurückgehen, um dort zu heiraten. Ich hatte mit der DGSE abgeschlossen, die DGSE aber nicht mit mir. Und Philippe versuchte, mich umzustimmen. Bei jedem Treffen fragte er, ob ich mir ganz sicher sei, dass ich Fatima heiraten wolle. Jedes Mal antwortete ich ihm, dass dem so sei. Eines Tages rückte er mit der Sprache heraus.
„Ich glaube, dass du einen Fehler machst.“
„Was meinst du damit?“
„Ich glaube, dass du heiraten und dann aussteigen wirst, und nach drei Monaten wird dir etwas fehlen, und du wirst zurückkommen wollen.“
„Ich könnte beides tun. Ich kann weiterarbeiten, wenn ich verheiratet bin.“
Philippe schüttelte den Kopf.
„Nein. Ein verheirateter Agent ist nur ein halber Agent.“Er lächelte und betrachtete seinen Ehering. „Glaube mir. Ich weiß es.“
Monatelang saß ich in Dakar fest. Philippe versicherte mir bei jedem Treffen, dass die DGSE mit den Deutschen zusammen Pläne für mein Leben dort entwickele. Doch dabei kam nie etwas heraus.
Nach fünf Monaten des Wartens reichte es mir. Philippe hatte mein britisches Mobiltelefon durch ein von der DGSE angezapftes Gerät ersetzt, auch wenn er das Abhörmanöver natürlich niemals zugab. Also rief ich mit diesem Telefon Fatima an.
„Ich habe lange genug auf diese Leute gewartet“, sagte ich zu ihr, „ich werde eine Möglichkeit finden, wie ich auch ohne sie nach Deutschland komme.“Es war die einzige Möglichkeit, die DGSE unter Druck zu setzen. Ich wusste, dass sie mich unter Kontrolle behalten wollten – sie wussten nicht, was ich tun würde. Aber sie wussten, dass ich mühelos selbständig nach Europa gelangen könnte, wenn ich mich ernsthaft darum bemühte. Schließlich war ich auch ohne ihre Hilfe in die afghanischen Lager
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