Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
Geliebten hierher aus, stimmt’s?“Ich ließ den Blick durch den Raum schweifen, und diese Vermutung schien mir völlig plausibel: das Kerzenlicht, die gedämpfte Musik.
Philippe gab sich zuerst schockiert, dann lachte er ebenfalls, und ich wusste, dass ich Recht hatte. Er schüttelte den Kopf und grinste. „Du bist ein echter Scheißkerl“, sagte er, immer noch lachend.
In jenem Augenblick haben wir uns wohl vollkommen verstanden.
DEUTSCHLAND
Philippe hatte mir für die Reise nach Deutschland meinen französischen Pass zurückgegeben, und so passierte ich die Zollkontrolle in Frankfurt am Main ohne jede Mühe. Olivier, mein Kontaktmann, wartete vor der Gepäckausgabe. Er war Ende zwanzig und eine ziemlich außergewöhnliche Erscheinung – einer der am besten durchtrainierten Europäer, die ich je zu sehen bekommen hatte. Er hatte ein hübsches Gesicht und wirkte sehr elegant. Dabei war seine Kleidung nichts Besonderes, nur Jeans und Blazer, aber sie war geschmackvoll und saß perfekt. Er war der einzige Geheimdienstbeamte, mit dem ich je zu tun hatte, der wirklich wie James Bond aussah.
Olivier gab mir sorgfältige Anweisungen zu den unmittelbar anstehenden Aufgaben. Ich solle zur Polizeiwache gehen und mich dort als Flüchtling vorstellen. Dort würde ich Papiere bekommen und mit diesen zur nahe gelegenen Aufnahmestelle für Flüchtlinge gehen. Dort würde ich die Nacht verbringen, und anschließend würde man mich in ein Aufnahmelager für Asylbewerber verlegen. Dort würde ich schließlich mit einem deutschen Agenten zusammentreffen, der mich durch das darauf folgende Verfahren lotsen sollte.
Olivier gab mir, bevor er mich absetzte, noch einige Notizen zur Vorgeschichte meiner Reise nach Deutschland. Ich sollte der Polizei und allen anderen Menschen, die mich befragten, erzählen, ich sei von Algerien in die Türkei gereist und hätte mich dann quer durch Europa durchgeschlagen, über Bulgarien, Rumänien, Ungarn, die Slowakei und die Tschechische Republik. Er gab mir Geld in der Währung jedes der genannten Länder, so dass ich meinen Reiseweg belegen konnte.
Olivier sagte vor dem Abschied, ich solle mir keinerlei Sorgen machen. Der deutsche Geheimdienst sei auf meine Ankunft vorbereitet. Er gab mir noch eine Telefonnummer, unter der ich ihn erreichen konnte, und nahm meinen französischen Pass an sich. Dann fuhr er.
Ich folgte Oliviers Anweisungen und ging zur Polizeiwache, von wo ich zur Aufnahmestelle weitergeleitet wurde. Der Beamte dort sagte mir, am nächsten Morgen würde ich mit dem Bus nach Eisenhüttenstadt gebracht, das an der polnischen Grenze liege.
Ich hatte nicht die Absicht, die Nacht in der Aufnahmestelle zu verbringen, und bezog stattdessen ein Hotelzimmer in der Frankfurter Innenstadt. Außerdem hatte ich auch keine Lust, das ganze Land mit dem Bus zu durchqueren, deshalb kaufte ich mir am folgenden Tag eine Zugfahrkarte nach Eisenhüttenstadt.
Eisenhüttenstadt ist eine großenteils in den fünfziger und sechziger Jahren errichtete, hässliche Stadt am Ostrand Deutschlands. Einige Kilometer vor der Stadt liegt eine Kaserne, die früher von der Roten Armee genutzt wurde. Heute ist dort eine Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber untergebracht.
Dort meldete ich mich mit den Papieren an, die ich in Frankfurt erhalten hatte. Es folgte ein sechstägiger Aufenthalt ohne jeden Kontakt zu den Geheimdiensten. Das war unglaublich deprimierend. Diese Einrichtung quoll über vor Flüchtlingen aus den Elendsregionen dieser Welt: Afrika, Sri Lanka, Afghanistan. Diese Menschen waren wochenlang unterwegs gewesen, und sie waren schmutzig.
Es waren verzweifelte Menschen. Sie hatten ihr Zuhause aufgegeben, um diese Reise anzutreten. Unter ihnen waren natürlich auch viele, die nicht vor Krieg oder politischer Verfolgung flüchteten. Viele wollten dem Hunger oder bedrückender Armut entkommen. Natürlich waren das diejenigen, denen die Ablehnung und Rückführung in die Heimat drohte. Furchtbare Leiden waren kein Asylgrund.
Letzten Endes hatten die Gründe, die diese Menschen zu ihrer Reise bewegt hatten, keine entscheidende Bedeutung, denn die meisten von ihnen würden zurückgeschickt werden. Sehr viele von ihnen würden anschließend sterben. Ich wusste, wie gleichgültig sich die Europäer gegenüber Asylbewerbern verhielten, und wie wenig sie gewillt waren, all diese dunkelhäutigen Menschen bei sich aufzunehmen.
Die Atmosphäre in diesem Lager war unglaublich deprimierend, und ich
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