Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
gelangt.
Deshalb war ich auch nicht im Mindesten überrascht, als Philippe am folgenden Tag auftauchte.
„Gute Neuigkeiten!“, verkündete er mit breitem Grinsen. „Wir haben alles geklärt. In zwei Tagen fliegst du nach Deutschland.“
Erst sehr viel später verstand ich, was die DGSE in Dakar im Schild führte: Sie wollten verhindern, dass ich heiratete. Dafür gaben sie das ganze Geld aus. Sie wollten mir zeigen, wie glamourös das Leben eines Spions war: exotische Städte, teure Restaurants, Luxushotels.
Mein Leben als Spion war natürlich nie glamourös gewesen. In Afghanistan hatte ich ein Jahr lang auf dem nackten Boden geschlafen und nur Linsen und altes Brot zu essen bekommen. In London lebte ich in einer Wohnung, die nicht viel größer war als ich selbst. Doch all das hatte mir nicht viel ausgemacht.
Das hatte die DGSE niemals begriffen: Mir ging es niemals um Geld. Gilles hatte aber das Gegenteil vermutet, deshalb glaubte er ganz am Anfang auch nicht, dass ich Tarek die 25 000 Francs zurückgeben würde. In Istanbul hatte er den gleichen Fehler begangen, als er glaubte, er könne mich für 15 000 Dollar loswerden. Und jetzt, in Dakar, machte Philippe denselben Fehler.
Natürlich gefiel mir das Geld, und ich gab es aus, wenn ich welches hatte. Die schicken Restaurants und die Fünf-Sterne-Hotels sagten mir zu, aber ich brauchte sie nicht. Es waren nicht diese Annehmlichkeiten, die mich motivierten.
Was motivierte mich dann? Die Beweggründe änderten sich wohl im Laufe der Zeit. Anfangs, als ich noch in Belgien lebte, brauchte ich den Schutz der DGSE für mich und meine Familie. Ich arbeitete nicht für diese Leute, weil ich an das glaubte, was sie taten, sondern weil ich nicht umgebracht werden wollte. Doch das änderte sich nach und nach, sobald ich mehr über die Gruppe erfuhr, in deren Tätigkeit ich verstrickt worden war: über die GIA. Dann wurde die Sache der DGSE auch die meine.
Zu einem bestimmten Zeitpunkt, während meines Aufenthalts in den Lagern, hatten sich unsere Ziele dann auseinanderentwickelt. Natürlich stimmten wir immer noch in vielen Punkten überein: Wir wollten nicht, dass unschuldige Menschen umgebracht wurden, weder in der Metro in Paris noch in einer Botschaft in Nairobi. Nach meiner Rückkehr aus Afghanistan wusste ich jedoch, dass ich nur wenig tun konnte, um solche Anschläge zu verhindern. Selbst wenn ich mithelfen könnte, einen Terrorakt zu verhindern, etwa ein Attentat während der Fußballweltmeisterschaft, würde schon bald der nächste Versuch folgen. Diese Angriffe waren unvermeidlich, solange sich der Westen weigerte, zu versuchen, das muslimische Denken, die Logik des Dschihad zu verstehen. Ich hatte mich immer wieder bemüht, dies meinen Agentenführern bei den Geheimdiensten auseinanderzusetzen, hatte versucht, ihnen zu erklären, was ich in jenen Lagern gesehen, gehört und empfunden hatte. Aber sie wollten mir nicht zuhören.
Philippe erklärte mir am Tag vor meiner Abreise, was nun in Deutschland geschehen würde. Er sagte, eine französische Kontaktperson würde am Flughafen auf mich warten und mir bei der Einreise nach Deutschland behilflich sein. Ich solle den deutschen Behörden erzählen, ich sei ein Algerier auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg, und dann Asyl beantragen. Ich würde eine neue Identität erhalten, und die deutschen Dienste würden mir beim Einstieg in eine neue Existenz behilflich sein. Ich würde heiraten und in Sicherheit leben.
Philippe war mir während der fünf Monate, die ich in Dakar verbrachte, sympathisch geworden. Ich mochte ihn, weil er in der Nacht nach den Razzien in Brüssel am Telefon so freundlich mit mir umgegangen war. Und ich mochte ihn, weil er auch in Dakar freundlich gewesen war – auf seine Weise. Ich hatte den Eindruck, dass er an mich glaubte und auch wollte, dass ich als Agent tätig blieb. Meinem Empfinden nach glaubte er wirklich daran, dass ich für ein solches Leben bestimmt sei.
An meinem letzten Abend lud er mich in ein vornehmes Restaurant außerhalb der Stadt ein. Ich war allerbester Laune, weil ich mich auf das neue Leben freute, das nun bald beginnen sollte. Mir war zum Feiern zumute, also bestellte ich langoustines, das teuerste Gericht auf der Speisekarte.
„O nein“, sagte Philippe. „Lieber nicht. Du solltest lieber den Barsch versuchen. Er schmeckt fabelhaft hier.“
Ich begriff sofort, wie Philippe zu diesen Kenntnissen gekommen war, und musste lachen.
„Du führst deine
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