Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
schüttelte nur den Kopf. „Ich hätte mir etwas anderes gewünscht“, sagte er schließlich. „Das ist nicht in Ordnung.“
Ich sah, dass er sich unwohl fühlte. Dann griff er in seine Manteltasche, zog eine Schachtel Zigaretten heraus und reichte sie mir.
Ich war irritiert. „Wofür sind die?“
Georg schenkte mir ein traurig-sanftes Lächeln und sagte mit einem Schulterzucken: „Ich habe das Gefühl, dass wir Ihnen etwas schuldig sind. Aber das ist alles, was ich habe.“Wir mussten beide lachen.
Matthias traf ich einige Wochen später. Er war eher wütend als traurig. „Du solltest dir einen Rechtsanwalt nehmen“, riet er mir. „Dir ist Unrecht geschehen.“
Es kam mir merkwürdig vor, dass ein Geheimdienstbeamter mir riet, gegen seinen Arbeitgeber zu klagen. Und was hatte ich schon zu meinen Gunsten vorzutragen? Ich hatte keinerlei Beweise in der Hand. Spione erhalten keine Arbeitsverträge.
„Ich bin mir nicht sicher, was das bringen könnte“, antwortete ich. „Ich wüsste auch keinen Rechtsanwalt für mich.“
„Ich kenne einen“, sagte er und schrieb einen Namen und eine Telefonnummer auf einen Zettel, den er mir dann gab. „Er ist sehr gut. Du solltest ihn anrufen.“
Den Rechtsanwalt rief ich nie an, aber Matthias traf ich einige Wochen später erneut. Diesmal empfahl er mir, mich an die Medien zu wenden. Er gab mir Tipps zu möglichen Ansprechpartnern und skizzierte dann, was ich diesen Leuten sagen sollte.
Ich begriff, dass ich hier in eine weitere Intrige verwickelt werden sollte, und der Gedanke gefiel mir nicht. Ich stellte Fragen. Nach und nach rückte Matthias mit der Wahrheit heraus: Alle hassten Klaus. Sie wussten, dass er ein Problemfall war, aber ihnen waren die Hände gebunden, weil ein Bundestagsabgeordneter diesen Mann dem Bundesamt für Verfassungsschutz aufgenötigt hatte. Die einzige Möglichkeit, ihn loszuwerden, war eine öffentliche Bloßstellung, zum Beispiel mit einem Prozess oder durch eine für diese Behörde peinliche Berichterstattung in den Medien.
Matthias versuchte mehrmals, mich für diese Schlacht anzuwerben, aber ich hatte kein Interesse.
„Willst du deine Geschichte nicht erzählen? Willst du nicht, dass die Leute erfahren, was er gemacht hat?“
„Keine Sorge“, antwortete ich, „ich erzähle meine Geschichte noch. Aber nicht jetzt und nicht auf diese Art.“
Jetzt habe ich meine Geschichte erzählt. Warum gerade jetzt?
Als ich mit dem Schreiben begann, war der Zorn wohl mein stärkster Antrieb. Seit fünf Jahren hatte ich ohne jegliche Papiere in Deutschland gelebt und die entwürdigendsten Jobs übernommen, die man sich nur vorstellen kann. Ich stand an Fließbändern und putzte Toiletten. Ich arbeitete für Chefs, die mich wie Dreck behandelten, weil ich ein Ausländer bin, ein Araber. Ganz gleich, wie viel ich arbeitete, ich konnte meine Frau nie ernähren. Ich lebe immer noch von Fatimas Verdienst.
Matthias hatte Recht: Was mir widerfuhr, war ungerecht. Schließlich gab ich alles auf. Jahrelang wollte ich sie bloßstellen – die Deutschen, die DGSE. Aber ich tat es nicht, weil ich um Fatima Angst hatte. Und ich habe heute noch Angst. Aber schließlich begriff ich, dass ich Fatima ohnehin verlieren würde. Es war eine sehr, sehr harte Zeit für sie. Es ist nicht einfach, mit einem Mann ohne Vergangenheit zusammenzuleben. Meistens kann ich nicht einmal meinen richtigen Namen benutzen. Meine Frau hat meine Familie nie kennengelernt, und ihrer eigenen Familie kann sie nicht sagen, wer ich bin und woher ich gekommen bin. Ihre Freunde muss sie belügen, wenn von mir die Rede ist. Ständig verstecken wir uns.
Dieses Leben war unerträglich für uns, und es hat uns fast auseinandergebracht. Wir wissen beide, dass ich durch die Veröffentlichung dieses Buches unser beider Leben aufs Spiel setze. Aber wir haben in diesem Leben auch nicht viel zu verlieren.
Es gibt aber noch einen anderen Grund, warum ich meine Geschichte erzähle. Er ist wichtiger. Die Welt hat sich seit dem Jahr 2000, in dem ich mein Leben als Spion aufgab, auf dramatische Art und Weise verändert, und ich bin zutiefst erschüttert von den Dingen, die ich sehe.
Wie alle anderen Menschen auch war ich über die Anschläge vom 11. September 2001 entsetzt. Aber ich war nicht überrascht. Ich hatte jahrelang in al-Qaida-Kreisen gelebt, und auf mich wirkten diese Anschläge wie die unvermeidliche Folge der Anstrengungen all jener Kräfte, deren Entstehung und
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