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Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story

Titel: Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Omar Nasiri
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Nachtsichtgeräte. Im Lauf der Zeit erweiterte Yasin seine Wunschliste auch auf elektronische Ausrüstungsgegenstände: Funkscanner, tragbare Sender und ähnliches Gerät. Die Dinge normalisierten sich allmählich, zumindest auf den Stand aus der Zeit vor Tareks Einzug.
     
    Ich traf mich alle zwei Wochen mit Gilles. Wir benutzten jedes Mal dasselbe System. Ich wählte die Nummer, die er mir gegeben hatte, und er nannte mir einen Ort, an dem ich ihn treffen sollte. Ich folgte ihm, und schließlich setzten wir uns in einem guten Hotel zusammen, normalerweise irgendwo in der Nähe der Place Rogier. Jedes Mal gab er mir zum Schluss etwa 8000 Francs – manchmal auch etwas mehr – für die beschafften Informationen. In dieser Hinsicht war er absolut zuverlässig. Ich musste ihn niemals daran erinnern oder um Geld angehen.
    In anderer Hinsicht war er weniger zuverlässig, und das erschwerte zunächst den Umgang mit ihm. Gilles hatte die Mentalität eines Diktators, er wollte die Fäden stets in der Hand halten. Er wollte mir vorschreiben, was zu tun war und was ich Amin, Yasin und Tarek zu sagen hatte. Ständig drängte er mich, in ihren „engeren Kreis“vorzudringen, und sagte mir, wie ich das zu bewerkstelligen hätte. Aber ich hatte die Macht – die Informationen, die er brauchte -, und es gefiel mir nicht, dass er mir Vorschriften machen wollte. Das sagte ich ihm auch immer wieder, und ich wusste, dass er deswegen frustriert war.
    Auch ich war wütend. Ich wusste, dass er, wenn ich ihn nur ließe, alles nehmen würde, was ich zu geben hatte. Irgendwann würde ich kein Aktivposten mehr für ihn sein, sondern eine Belastung. Er würde mich loszuwerden suchen. Zum Beispiel konnte er mich ins Gefängnis stecken – oder sich etwas Schlimmeres einfallen lassen. Doch das würde ich zu verhindern wissen.
    Im Lauf der Zeit fanden wir deshalb zu einer Art von grobem Kompromiss. Im Allgemeinen fragte Gilles nicht nach Einzelheiten. Er sagte nur: „Was gibt es Neues?“, und ich erzählte ihm dann, was ich gesehen hatte. Manchmal gab ich ihm auch Material, zum Beispiel die Fax-Sendeprotokolle oder die Unterlagen, die ich in der Küche an mich genommen hatte. Diese Unterlagen schienen ihn ganz besonders zu interessieren, was mich überraschte. Ich hatte sie mir angeschaut, nachdem ich sie an mich gebracht hatte, und es war nur eine lange Liste von Adressen, teils in Frankreich, teils in Tunesien. Für mich sah das nicht besonders aufregend aus, aber Gilles schien sehr erfreut zu sein. Er sagte mir, das sei gute Arbeit gewesen.
    Gilles interessierte sich stark für al-Ansar . Er wollte mehr über den Stempel wissen, den ich Tarek hatte benutzen sehen. Er fragte mich, ob dieser Stempel oder ein ähnlicher Ausrüstungsgegenstand von irgendjemandem sonst benutzt worden sei, und ich verneinte. Er wollte wissen, wohin diese Rundbriefe verschickt wurden, und ich antwortete, sie gingen in alle Welt. Nicht nur nach Europa oder Afrika oder in den Nahen Osten, sondern auch in die Vereinigten Staaten, nach Kanada, Brasilien, Argentinien, Russland, Südafrika und Australien – überallhin. Gilles machte sich sehr sorgfältige Notizen zu allem, und mein Eindruck war: Er nahm diese Dinge ernst.
    Die meiste Zeit verwendeten Gilles und ich jedoch auf die Betrachtung von Fotos. Innerhalb mehrerer Monate kamen Tausende von Fotos auf den Tisch. Er legte sie stapelweise vor und fragte nach mir bekannten Gesichtern. Zunächst konnte ich nur ein paar der abgebildeten Personen identifizieren: Amin, Yasin, Tarek, Hakim. Aber mit der Zeit wurden es mehr, darunter einige der Männer, die zum Abendessen ins Haus kamen, andere, die Autos bei uns abholten oder abstellten, wieder andere, die auf dem Weg zur Front oder in Gegenrichtung bei uns haltmachten. Gilles schien über einige dieser Männer bereits eine Menge zu wissen. Er kannte viele ihrer Namen, und von mir wollte er oft weitere Informationen: Wer sprach mit wem, woher kamen die einzelnen Männer, wo gingen sie hin, welche Sprache benutzten sie, wer hatte das Sagen? Er wollte wissen, wie das Netzwerk funktionierte. Meine Aufgabe war dabei, die Lücken im bereits vorhandenen Wissen zu füllen.
    Die Fotos kamen nicht nur aus Belgien. Oft legte Gilles mir Bilder vor, die einige der von mir identifizierten Männer – und besonders häufig: Tarek – in anderen Ländern zeigten. Fotos aus Frankreich, Spanien, den Niederlanden, England. Jedes Mal, wenn ich jemanden identifizierte, wurde mir klar: Der

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