Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
dafür, dass er nicht früher angerufen hatte. Er habe so viel zu tun gehabt. Er glaubte immer noch, mich verkohlen zu können. In zwei Tagen werde er aber nach Istanbul kommen, um mit mir zu reden.
Wir trafen uns in einem Restaurant, und ich machte ihm klar, dass ich meine Zeit nicht weiter in der Türkei vergeuden wollte. Ich wollte zu den Wurzeln dieser Terrornetzwerke gelangen und deshalb nach Pakistan und Afghanistan weiterreisen und mich dort in ein Ausbildungslager begeben. Er verdrehte die Augen.
„Das ist absolut unmöglich.“
„Warum ist das unmöglich?“, fragte ich.
„Man kann nicht einfach so in ein solches Lager gehen. Man braucht einen Empfehlungsbrief von einem Anwerber in Europa, wenn man dort hineinkommen will.“
Ich wischte dieses Argument beiseite. Ich wusste, dass ich hineinkommen würde, wenn ich einmal dort war.
„Außerdem brauchst du ein pakistanisches Visum“, fuhr er fort. „Die sind nicht so leicht zu bekommen.“
„Warum nicht?“Ich lächelte über das ganze Gesicht. „Ich bin doch kein Terrorist!“
Ich erhielt mein Visum. Ich benötigte dazu nur fünf Tage, und es war nur ein Touristenvisum, das ganze zwei Wochen gültig war. Aber das sollte genügen. Als Gilles eine Woche später nach Istanbul zurückkam, war er überrascht – und beeindruckt -, dass es mir gelungen war, ein Visum zu ergattern.
Wir trafen uns in den Dolmabahçe-Gärten. Es war ein wundervoller Frühlingstag. Wir gingen den Hügel hinauf und fanden eine Bank, von der aus man den ganzen Bosporus überblicken konnte. Er teilte mir mit, dass man mir sieben Monate Zeit gebe. Wenn ich nicht innerhalb dieser Zeitspanne zurückkäme, würde er mich „abschalten“, wie er es nannte. Dann wäre auch die Telefonnummer nicht mehr gültig. Danach übergab er mir 15 000 Dollar.
„Du weißt sicherlich“, erklärte er mir dann, „dass du nicht der Erste bist, der in die Lager zu kommen versucht.“
„Und was ist den anderen passiert?“, fragte ich zurück.
„Die meisten schaffen es einfach nicht und kehren dann mit leeren Händen zurück. Einige kommen überhaupt nicht mehr zurück.“
„Ich werde hineinkommen“, sagte ich. „Und ich werde zurückkehren. “
„O.k. Und wenn nicht – nun, das ist dann auch in Ordnung.“Er schaute mich durchdringend an. „Du kannst hingehen, wohin auch immer du willst. Wir werden dich nicht behelligen.“
In diesem Moment ließ mein Ärger über ihn nach. Ich konnte ihm in keiner Weise vertrauen, das wusste ich. Aber in dem Jahr, in dem ich jetzt für ihn arbeitete, hatte ich mehr mit ihm gesprochen als jemals zuvor mit irgendeinem anderen Menschen. Im Grunde wollten wir das Gleiche, obwohl wir es auf ganz unterschiedlichen Wegen erreichen mussten. Ich verstand, dass er seinen Job erledigen musste. Aber ich wusste auch, dass er mir in der Tiefe seines Herzens nicht schaden wollte. Er hatte mir einen Ausweg aus meiner bisherigen Lage angeboten und mir eine Menge Geld verschafft, um damit ein neues Leben zu beginnen.
Aber ich wollte kein neues Leben. Ich wollte das Leben, das ich jetzt führte, allerdings in einem größeren Rahmen. Ich glaube, dass auch Gilles meinen Erfolg wünschte.
Ich schaute hinunter auf meine Marlboro-Schachtel und deutete auf das Wappen.
„Veni, vidi, vici“, las ich vor. Er lächelte.
Ich stand auf, und wir gaben uns die Hand. Er blieb auf der Bank sitzen. Ich drehte mich um, verließ den Garten und ging zum Bosporus hinunter.
AFGHANISTAN
HANDELNDE PERSONEN
Abu Anas
Bringt Omar von Lahore nach Peschawar
Ibn Sheikh
Emir von Khaldan
Abu Bakr
Palästinensischer Ausbilder in Khaldan, Emir des Lagers in Ibn Sheikhs Abwesenheit
Abu Hamam
Eritreischer Ausbilder in Khaldan; leitet den Geländelauf an Omars erstem Tag im Lager
Abu Suhail
Jemenitischer Ausbilder; bildet Omar an Schusswaffen aus
Abdul Haq
Marokkanischer Rekrut aus London in Khaldan
Abdul Kerim
Franko-algerischer Rekrut in Khaldan
Assad Allah
Besucht Khaldan nur kurz; taucht als Sprengstoffausbilder in Derunta wieder auf
Abu Yahya
Jemenitischer Ausbilder in Khaldan; bildet Omar im Umgang mit Sprengstoffen aus; erscheint wieder in Derunta
Abu Hudayfa
Saudischer Rekrut in Khaldan; wird bei seiner Ankunft einem Verhör unterzogen
Hamza
Junger ägyptischer Rekrut, in Kanada aufgewachsen; Bruder von Osama
Osama
Junger ägyptischer Rekrut, in Kanada aufgewachsen; Bruder von Hamza
Abu Said al-Kurdi
Bringt Omar von Peschawar nach Derunta
Abu Zubayda
Trifft für Omar in
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