Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
über die Wendung nach, die mein Leben bald nehmen würde. Von jetzt an würde ich eine völlig andere Rolle spielen. Aber eigentlich war es gar keine neue Rolle oder überhaupt eine Rolle. Als kleines Kind hatte ich davon geträumt zu kämpfen, gegen die Japaner oder Deutschen zu kämpfen. Später, in Paris, stellte ich mir vor, gegen die Russen in Afghanistan in den Kampf zu ziehen. Und danach dann in Bosnien und Tschetschenien. Bisher waren es nur Träumereien gewesen, aber jetzt war ich endlich in der Realität angelangt. Dies war ein wahrhaft erhebendes Gefühl.
Nach einer Stunde Flug fühlte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich schaute auf. Es war der Pakistaner.
„Wo ist Mekka?“, fragte er mich.
Ich war überrascht. Auf jedem Bildschirm in diesem Flugzeug war eine GPS-Karte zu sehen. Ich zeigte auf diejenige, die sich direkt vor uns befand, und erklärte ihm, wie man sie las. Ich machte ihm klar, dass Mekka rechts vom Flugzeug lag.
Er dankte mir und ging ein paar Sitzreihen nach vorne. Dann zog er sein Jackett aus, legte es auf den Boden und begann sich hinzuknien. Eine Stewardess bemerkte das und sprach ihn an.
„Sie können sich hier nicht hinsetzen“, sagte sie. „Sie dürfen den Notausgang nicht blockieren.“
Als der Mann sie ignorierte, hob sie die Stimme.
„Sir, ich muss Sie bitten, hier wegzugehen. Dies hier ist der Notausgang.“
Schließlich blickte er sie an. „Ich muss meine salat verrichten.“
Sie schüttelte den Kopf und redete ganz leise auf ihn ein. Dann stand er auf. Bald wurden ihre Stimmen immer lauter. Offensichtlich begannen sie sich zu streiten.
„Nichts wird mich davon abhalten, meine salat zu verrichten“, sagte er. „Es ist mir egal, wo ich gerade bin – auf einem Kamel oder in einem Flugzeug. Ich werde das jetzt einfach tun.“
Die Stewardess schüttelte erneut den Kopf und sagte dann etwas zu ihm, das ich nicht verstehen konnte. Daraufhin holte er etwas aus seiner Tasche und fuchtelte damit vor ihrem Gesicht herum.
„Also schön, hier ist mein Ticket“, schrie er. „Geben Sie mir mein Geld zurück, und ich steige sofort aus diesem Flugzeug aus.“
Die Stewardess schaute ihn verwirrt und ängstlich an. Er schien keinen Spaß zu machen. Er wirkte wirklich so, als würde er jeden Augenblick dieses Flugzeug verlassen. Ich schoss aus meinem Sitz hoch und eilte zu ihnen. Ich lächelte die Stewardess an.
„Warum lassen Sie ihn nicht einfach beten?“, fragte ich in meiner freundlichsten Tonlage. „Es wird doch nur ein paar Minuten dauern. Ich kann hier solange stehen bleiben, falls etwas passieren sollte.“
Sie schaute mich lange an, ohne ein Wort zu sagen. Schließlich zuckte sie mit den Achseln. Sie warf ihm noch einmal einen bösen Blick zu und ging dann fort.
Der Pakistani wandte sich mir zu und machte eine ganz leichte Verbeugung. Ich merkte, dass er mir sehr dankbar war. Dann kniete er nieder und verrichtete sein Gebet.
Als er fertig war, kehrte ich zu meinem Sitzplatz zurück, und er setzte sich neben mich.
„Warum haben Sie nicht die salat verrichtet?“, fragte er.
„Ich befolge die Regeln der sunna“, gab ich ihm zur Antwort. Gemäß der sunna, den uns von Mohammed gegebenen Regeln, können Muslime vom körperlichen Gebet befreit werden, wenn sie sich auf einer Reise mehr als hundert Kilometer von ihrem Zuhause entfernen. Man verrichtet dann die salat rein innerlich im eigenen Geist.
Der Pakistani nickte und fragte mich dann, wo meine Reise hingehe.
„Karatschi.“
Er schien überrascht. „Warum Karatschi?“
Ich wandte den Kopf und schaute ihn fest an. Seine Augen waren sehr hell und durchdringend.
„Ich möchte dem Dschihad folgen“, flüsterte ich ihm zu.
Seine Augen weiteten sich. „Aber warum dann Karatschi, Bruder?“
Ich zuckte die Achseln und lächelte. „Ich weiß nicht sehr viel über Pakistan. Also habe ich mir ganz einfach ein Ticket nach Karatschi gekauft.“
„Aber nein, mein Bruder. Du darfst nicht in Karatschi bleiben. Dort ist es im Augenblick sehr gefährlich. Dort sind Ausländer nicht sicher.“Er machte eine kleine Pause. „Du solltest stattdessen nach Islamabad gehen.“
Er holte ein Stück Papier und einen Kugelschreiber aus der Tasche und begann zu schreiben. Ich konnte die Sprache nicht erkennen. Als er fertig war, blickte er auf und überreichte mir den Zettel.
„Ich kenne jemanden, der dir helfen kann. Er lebt in Rawalpindi, nur ein paar Kilometer außerhalb von Islamabad. Wenn du nach
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