Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
Amin und Yasin über die Zeit reden hörte, die sie dort verbracht hatten. Und ich hatte immer schon von den Bergen geträumt. Ich wollte jetzt selbst einmal diese Berge sehen.
Gilles plante, mich in die Türkei zu schicken. Er meinte, ich könne ihm dort recht nützlich sein. In letzter Zeit seien viele Männer, die von der DGSE in Frankreich überwacht worden waren, in diesem Land verschwunden. Zuvor hätten sie täglich radikale Moscheen besucht, seien dann aber plötzlich von einem Tag auf den anderen weg gewesen. Sie seien in die Türkei gereist und dort abgetaucht. Einige Monate später würden sie dann wieder in diesen französischen Moscheen auftauchen, ohne dass irgendjemand wusste, wo sie in der Zwischenzeit gewesen waren. Die DGSE nahm an, dass sie ein afghanisches Ausbildungslager besucht hatten. Gilles wollte nun wissen, was genau in der Türkei vorging und wie diese Leute in die Lager gelangten.
Ich stimmte diesem Plan sofort zu. Ich wusste genau, dass mich Gilles im Grunde einfach nur loszuwerden versuchte. Er gab mir keine Namen, keine Fotos und keine Adressen, nicht einmal den Namen einer Stadt, wo ich meine Nachforschungen beginnen könnte. Ich wusste, dass er mich auf ein Abstellgleis schieben und wieder einmal austricksen wollte. Aber auch dieses Mal war ich es, der ihn austricksen würde.
Gilles hatte mich nie so ernst genommen, wie er es eigentlich hätte tun sollen. Aber ich würde es ihm schon zeigen. Ich würde mich in die Lager einschleusen. Ich würde ihn und die ganze DGSE überraschen. Ich würde sie zwingen, mich zur Kenntnis zu nehmen.
Einige Tage später fuhr mich Gilles zum Pariser Charles-de-Gaulle-Flughafen. Er musste mich durch die Passabfertigung lotsen, da ich kein Visum für Frankreich, sondern nur eines für Belgien besaß. Er gab mir 7000 Dollar in bar. Danach nannte er mir eines der besten Hotels in Istanbul. Dort sollte ich zu einer ganz bestimmten Zeit meine Kontaktperson treffen. Diesem würde ich dann mein Rückflugticket aushändigen. Auf diese Weise konnte Gilles sicher sein, dass ich nicht zurückkommen und ihm oder dem Geheimdienst weitere Scherereien machen würde. Natürlich drückte er das nicht so aus, aber das war es, was er meinte. Ich gab dazu keinerlei Kommentar ab.
Ich fühlte mich großartig, als ich endlich im Flugzeug saß. Ich würde neue Dinge sehen, und ich war auf dem Weg nach Afghanistan. Auch auf die Türkei freute ich mich. Ich hatte als Kind so viel über die osmanische Welt gehört und hatte einige ihrer Schätze ja bereits im Brüsseler Museum gesehen. Die Türkei war der Sitz des letzten großen islamischen Imperiums gewesen, und ich wollte die Moscheen und die Frauen mit ihren Kopftüchern sehen und den Gebetsruf des Muezzins hören.
Aber bereits als ich aus dem Istanbuler Flughafen herauskam und in ein Taxi einstieg, wusste ich, dass ich mich getäuscht hatte. Als wir ins Zentrum der Stadt fuhren, begriff ich, dass hier nichts meinen Erwartungen entsprach. Ich sah Frauen im Minirock, Männer in Jeans und helle Lichter. Von überallher ertönte laute Musik. Es sah alles genauso aus wie in Europa. Ich war tief enttäuscht.
Einige Stunden später traf ich mich mit meinem Kontaktmann. Er war klein und sah sehr sportlich aus. Er stellte sich mit dem albernen Losungssatz vor, den mir Gilles mitgeteilt hatte.
„Hallo, Sir. Leider kann Josephine heute ihre Verabredung nicht einhalten, aber sie lässt Sie herzlich grüßen.“Sein Gesicht blieb dabei ganz ernst. Ich folgte ihm in eine Kellerwohnung und händigte ihm mein Rückflugticket aus.
Danach fand ich ein freies Taxi und bat den Fahrer, mir die Stadt zu zeigen. Er war ein Araber, und so kamen wir bald ins Gespräch. Ich fragte ihn, warum Istanbul jetzt so aussehe und was mit all seiner muslimischen Kultur und Geschichte geschehen sei.
„Das liegt an Atatürk“, antwortete er mir. Ich hatte nie zuvor von Atatürk gehört. Er erklärte mir, dass dieser das ganze Land verweltlicht und die alte Sprache und sogar das alte Alphabet abgeschafft habe. Wenn ich den echten Islam finden wolle, müsse ich nach Konya, der Heimatstadt Rumis, fahren.
Ich hatte keine Ahnung, wer Rumi überhaupt war, aber ich vertraute diesem Araber. Außerdem hatte mir Gilles keine anderen Aufträge erteilt. Und so fuhr ich mit dem Zug nach Konya, was fast fünfzehn Stunden dauerte. Nachdem ich ein Hotel bezogen und mich dort etwas ausgeruht hatte, fragte ich den Mann an der Rezeption, wo hier die nächste
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