Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
sieben Stunden nach Süden. Auf der ganzen Fahrt sprach ich kein einziges Wort, musterte aber das Gesicht meines Führers. Er war noch sehr jung. Obwohl seine Haut von der Sonne gerötet war, hatte er doch noch nicht die tiefen Falten, die ich bei den anderen Männern bemerkt hatte. Seine Stirn war breit, und seine Nase war fast asiatisch und nicht so schmal, wie es für die Afghanen typisch war. Wegen der Anweisungen, die mir der andere Mann an diesem Morgen gegeben hatte, oder aus irgendwelchen anderen Gründen traute ich ihm nicht so recht.
Auf der Fahrt mussten wir immer wieder anhalten und wurden jedes Mal von einer anderen Stammesmiliz kontrolliert. Für uns war das äußerst gefährlich. Sie waren Schiiten, und ich war ein arabischer Sunnit, der mit einem afghanischen Sunniten unterwegs war. Ich war froh, dass mir inzwischen ein Bart gewachsen war und ich deshalb nicht mehr so fremdländisch aussah.
An einem Kontrollpunkt wurden wir von vier Männern gestoppt. Sie trugen schwarze Kleidung und hielten Kalaschnikows in den Händen. Sie befahlen zwei Pakistanern, von der Ladefläche herunterzusteigen, und begannen dann mit ihnen über den Inhalt ihrer Taschen zu streiten. Schließlich verhafteten sie sie, und wir mussten ohne die beiden weiterfahren.
In der Nähe einer Stadt namens Sadda hielt der Pick-up plötzlich an. Mein Begleiter forderte mich auf, in einen Toyota-Pick-up umzusteigen, der dort auf uns gewartet hatte und mit dem wir dann einige Kilometer einer kleinen, ungeteerten Straße folgten. An einer bestimmten Stelle zeigte mein Führer plötzlich nach vorne.
„Siehst du diese beiden Bäume?“, fragte er mich. Er sprach Arabisch. „Dahinter ist ein kleiner Berg. Das ist Afghanistan.“
Bald danach kamen wir an die Grenze, die ich zuerst nicht einmal als solche erkannte, da kein Schild oder Gebäude darauf hinwies. Im Schatten eines Baumes standen zwei Pakistaner in Militäruniform.
Mein Führer forderte mich auf, ihm meine Sachen zu geben und dann ohne anzuhalten über die Grenze zu gehen. Wenn mich doch jemand anhalten und etwas fragen würde, sollte ich einfach weitergehen. Er würde mir folgen und mit den Beamten sprechen. Ich dürfe allerdings zu niemandem ein Wort sagen.
Als ich mich den Wachen näherte, waren diese gerade damit beschäftigt, andere Grenzgänger zu kontrollieren. Als ich diese näher betrachtete, bemerkte ich, dass ihre Kleidung abgenutzt und voller Staub war. Jetzt verstand ich, warum mir der Mann mit dem Gaslicht meinen neuen salwar kameez abgenommen hatte. Mit diesem hätte ich hier wie ein bunter Vogel gewirkt.
Die meisten, die die Grenze überquerten, trugen große Pakete und Säcke. Offensichtlich waren die Grenzer überhaupt nicht an deren Inhalt interessiert, sondern daran, von jedem, dem sie das Passieren gestatteten, Geld zu bekommen. Sie steckten ständig Geldscheine, die sie von den Reisenden bekommen hatten, in ihre Taschen. Sie waren also viel zu beschäftigt, als dass sie mich Einzelreisenden ohne Gepäck überhaupt bemerkt hätten.
Auf der afghanischen Seite der Grenze standen mehrere Taxis – Pick-ups oder Geländewagen. Der Führer stieg in eines von ihnen ein, ich folgte ihm. Der Fahrer fuhr uns auf engen Straßen, die sich durch die Hügel schlängelten, immer tiefer nach Afghanistan hinein. Inzwischen war es früher Nachmittag, und die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel und spiegelte sich in den schwarzen Felsen der afghanischen Berge.
Nach etwa vierzig Minuten Fahrt kamen wir an einem Friedhof vorbei. Neben einigen Gräbern hatte man hohe Pfähle – manche über sechs Meter lang – in die Erde gesteckt. Jeder von ihnen war mit einem roten, weißen oder grünen Stück Stoff geschmückt. Dies waren die Gräber der Mudschahidin, wie ich sie bereits aus all den Filmen kannte, die ich gesehen hatte.
Während wir weiterfuhren, kamen wir immer wieder an solchen Friedhöfen vorbei. Als wir uns einem von ihnen näherten, bemerkte ich eine Gruppe von fünf Männern mit weißen Turbanen. Sie standen neben einem weißen Pick-up, auf dessen Ladefläche eine große Flugabwehrkanone montiert war. Auf dem Dach des Führerstands war ein Gestell angebracht, von dem Hunderte von schwarzen Bändern herabhingen, die im Wind raschelten und glitzerten. Ich wusste sofort, dass es sich dabei um Audiound Videobänder handelte. Diese Leute waren Taliban.
Die Männer stellten sich jetzt mitten auf die Straße und zwangen den Fahrer anzuhalten. Als sich einer von
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