Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
erkennen. Erst als ich eintrat, sah ich einen Mann mit Brille hinter der Tür stehen. Mein Begleiter übergab ihm ein Blatt Papier und unterhielt sich kurz mit ihm. Sie sprachen so leise und schnell, dass ich nichts verstehen konnte. Dann verabschiedete sich der Führer von mir und dem anderen Mann. Er verließ das Haus so schnell, dass ich ihm nicht einmal antworten konnte.
Das Haus war vollkommen dunkel. Das einzige Licht kam von einer Gaslampe, die der Mann in der Hand hielt. Ich warf einen kurzen Blick auf ihn und betrachtete sein Gesicht. Sein Bart war sorgfältig getrimmt. Dies war nicht der Bart eines Mudschahidin.
Ohne ein Wort zu sagen, bedeutete er mir, dass ich ihm ins Haus folgen solle. Es war vollkommen still – augenscheinlich waren wir die einzigen Anwesenden. Er führte mich in einen Raum, hielt seine Lampe hinein und erklärte mir, dass wir beide hier schlafen würden. Tatsächlich standen da zwei Betten und ein kleiner Tisch, nichts sonst. Auf dem Tisch lag eine Ausgabe des Koran.
Danach fragte mich mein Gastgeber, ob ich afghanische Kleidung besäße. Ich zeigte ihm den salwar kameez , den ich gerade auf dem Markt gekauft hatte. Als er ihn sah, schüttelte er den Kopf und verließ den Raum. Kurz darauf kam er zurück und überreichte mir einen weit älteren, schon fast zerschlissenen salwar kameez .
Inzwischen war es Zeit für das Abendgebet. Er deutete auf eines der Badezimmer, wo ich meine Waschungen erledigen konnte. Danach beteten wir gemeinsam. Nach der salat setzte er sich auf sein Bett und nahm einige Schriftstücke in die Hand, die dort lagen. Mich wies er auf den Koran hin. Wir saßen auf unseren Betten und lasen beim Licht seiner Gaslampe. Schließlich legte ich den Koran zur Seite und legte mich hin, während er weiterlas. Sehr schnell fiel ich in einen tiefen Schlaf.
Mein Gastgeber weckte mich vor Tagesanbruch und führte mich in einen anderen Raum, wo wir zusammen unser Morgengebet verrichteten. Bevor das Sonnenlicht das Haus zu erhellen begann, ging er zu seinem Schreibtisch und schrieb einen Brief. Dann sprach er mich zum ersten Mal an.
„In ein paar Minuten wird ein Mann kommen und dich nach Afghanistan ins Mukhayyam bringen.“
Mukhayyam bedeutete „Lager“. Es war das erste Mal, dass jemand mir sagte, dass ich tatsächlich in ein Ausbildungslager kommen würde. Mir lief ein leichter Schauer über den Rücken, und dies nicht nur aus Begeisterung, sondern weil mir plötzlich klar wurde, dass ich es hier mit einem sehr mächtigen Mann zu tun hatte. Seine Stimme war ruhig und gelassen wie die Stimmen der anderen, die mir im Flüchtlingslager begegnet waren, aber auch wie die Stimmen von Amin und Yasin. Aber von seiner Sprache ging eine solche Stärke und Intensität aus, wie ich sie noch bei keinem anderen Menschen erlebt hatte. Ich werde die vollkommene Klarheit nie vergessen, die ich in diesem Moment verspürte.
„Du darfst zu deinem Führer kein einziges Wort sagen“, fuhr er fort. „Wenn er dir etwas zu tun befiehlt, musst du es tun. Du darfst ihm keine Fragen stellen oder überhaupt mit ihm sprechen.“
Ich nickte zustimmend.
Bald darauf klopfte jemand an die Tür. „Komm mit“, sagte er. „Nimm deine Sachen mit.“Er öffnete die Tür. Draußen stand ein junger Afghane. Mein Gastgeber gab ihm den Brief, den er gerade geschrieben hatte. Als ich das Haus verließ, bat er mich, ihn in meinen Dua- Fürbitten, meinen ganz persönlichen Gebeten, zu erwähnen. Dann stieß er seine Brust und Schulter gegen meine.
Ich hatte das schon bei anderen im Flüchtlingslager beobachtet. Die meisten Araber zeigen bei Begrüßungen oder Abschieden normalerweise viel Gefühl und küssen sich oft sogar. Dies passt natürlich nicht zu den Mudschahidin. Ihre Grußformen sind gleichzeitig aggressiv und respektvoll.
Dies hier war also das erste Mal, dass mich jemand nach Art der Mudschahidin gegrüßt hatte.
GRENZLAND
Mein neuer Führer und ich gingen ein kleines Stück und stiegen dann in ein Taxi. Die Sonne begann gerade am Horizont sichtbar zu werden. Nach ein paar Kilometern setzte uns das Taxi einfach am Straßenrand ab. Nachdem wir einige Minuten gewartet hatten, näherte sich uns ein Pick-up und hielt direkt neben uns an.
Wir kletterten auf die Ladefläche und setzten uns auf die Lebensmittelsäcke, die dort herumlagen. Neben uns saßen mehrere Pakistani, Männer und Frauen. Einige Hühner vervollständigten die Ladung.
Wir fuhren von Peschawar aus etwa sechs oder
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