Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story

Titel: Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Omar Nasiri
Vom Netzwerk:
Gott in den Krieg ziehen, nicht wegen eines materiellen Gewinns oder aus politischen Gründen. Sein Kampf ist dann rechtschaffen und gerechtfertigt, wenn er kämpft, um Gottes Schöpfung zu retten. Je tiefer sein Glaube an Gott wird, desto mehr wird seine Fähigkeit zunehmen, das Werk Gottes zu ehren.
    Die wahren Gläubigen haben ihr Leben Gott anvertraut, der ihnen im Gegenzug das Paradies versprochen hat. Sie dürfen also im Kampf niemals fliehen, selbst wenn sie dem sicheren Tod entgegengehen. Ein Mann, der „den vorrückenden Ungläubigen auf dem Schlachtfeld“„den Rücken kehrt“, über den sagt der Koran: „Der zieht sich Gottes Zorn zu und endet in der Hölle. Welch übles Ende!“
     
    Ich war erstaunt zu erfahren, wie genau diese Gesetze festlegten, was im Dschihad zulässig und was nicht zulässig war. Sie waren unglaublich präzise und fallbezogen und übertrafen darin bei weitem die Menschenrechtskonventionen, die sich der Westen ausgedacht hatte. Tatsächlich erzählten uns unsere Lehrer immer wieder, dass es genau diese Grundsätze seien, die die Muslime von den Nicht-Muslimen unterschieden. Es waren die Ungläubigen, die wahl- und gesetzlos mordeten, ganze Städte in Schutt und Asche legten und sogar ganze Völker ausrotteten. Sie warfen Bomben auf Kirchen, Moscheen und Schulen.
    Wir hörten von den Briten und Franzosen, die in der ganzen Welt Völker unterworfen und sich deren Land als Kolonien angeeignet hatten. Wir hörten von Hitler und seinen Konzentrationslagern. Wir erfuhren, wie die Amerikaner die Vietnamesen und Koreaner abgeschlachtet hatten. Wir hörten von Hiroshima und Nagasaki und den Flächenbombardements am Ende des Zweiten Weltkrieges. Und natürlich hörten wir von den Gräueln, die die Israelis in Palästina begangen hatten, aber das kannte jeder von uns schon längst.
    Die Ungläubigen töteten, zerbombten und vernichteten alles, was ihnen im Weg stand. Sie waren einfach nur Tiere.
     
    Natürlich ließ mich alles, was ich da erfuhr, noch mehr über all das nachdenken, was ich über Algerien gehört und gelesen hatte. Die GIA hatte offensichtlich viele Dinge getan, die das islamische Gesetz eigentlich verbot: Sie hatten Zivilisten ermordet, sie hatten sogar Schulen überfallen und Schulkinder umgebracht. Aber mit der Zeit lernte ich auch etwas sehr Wichtiges über die Gesetze des Dschihad: Innerhalb der von ihnen gezogenen Grenzen gibt es jede Menge Raum für alle möglichen sehr unterschiedlichen Interpretationen.
    Das trifft besonders auf die Unterscheidung zwischen „Feinden“und „Unschuldigen“zu. Eigentlich scheint das ja sehr einfach zu sein: Die Feinde, das sind die mit den Gewehren! Aber laut den Gesetzen des Dschihad lässt sich das noch erweitern, um die gesamte „Versorgungskette“mit einzuschließen. Jeder, der die gegnerischen Kämpfer mit Geld oder Waffen unterstützt oder sogar mit Nahrung oder Wasser versorgt, ist selbst ein Feind. Oder jeder, der diese Kämpfer moralisch unterstützt, zum Beispiel ein Journalist, der in seinen Schriften die Sache des Feindes vertritt. Aber wie weit, so fragte ich mich, reicht diese Versorgungs- und Unterstützungskette? Bis zu jedem, der für ein feindliches Regime stimmt? Was ist mit denen, die überhaupt keine Position beziehen? Wie weit geht das?
    Frauen gelten im Allgemeinen als unschuldig, aber auch sie können zum Feind werden. Wenn eine Frau zu Gott betet, er möge ihren Mann behüten, dann ist sie kein Feind. Aber wenn sie Gott bittet, er möge ihren Mann einen Muslim töten lassen, dann ist sie ein Feind. Ähnliches gilt für Kinder. Einem kleinen Jungen kann man seine Gebete vergeben, er ist für Gebete noch nicht verantwortlich. Wenn er aber einem feindlichen Kämpfer Nahrung oder sogar nur eine Nachricht bringt, wird er selbst zum Feind.
    Ich begann allmählich zu verstehen, wie in der Gedankenwelt eines Extremisten beinahe jeder zum Feind werden konnte.

JUMU’ AH
    Die Freitage unterschieden sich von allen anderen Tagen. An diesem Tag fanden keine Dauerläufe und kein Waffentraining statt. Nur am Morgen machten wir auf dem freien Feld vor dem Lager etwa eine Stunde gemeinsam Gymnastik. Danach versammelten wir uns auf dem Hauptplatz des Lagers, und der Emir teilte uns in verschiedene Gruppen ein. Jeder Gruppe wurde eine Aufgabe zugewiesen: das Reinigen der Moschee, das Sammeln von Brennholz für die Küche oder das Auffüllen der großen Wassertanks neben der Kantine. Es gab nur eine Aufgabe, die der Emir

Weitere Kostenlose Bücher