Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story

Titel: Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Omar Nasiri
Vom Netzwerk:
zusammenzubauen. Beim ersten Mal brauchten die meisten Rekruten dafür etwa zwei Minuten. Ich schaffte es in weniger als sechzig Sekunden. Ich merkte, dass er sehr beeindruckt war.
    „Masha’allah, Abu Imam“, rief er aus. „Masha’allah.“
    Ich glaube, dass Abu Suhail an meinem Umgang mit Waffen merkte, dass ich bereits in der Vergangenheit mit ihnen zu tun gehabt hatte. Aber er stellte mir nie irgendwelche Fragen. Das gehörte zu den Lagerregeln. Wir stellten keine Fragen.
    Im Laufe dieser Wochen entwickelte ich eine immer größere Zuneigung zu Abu Suhail. Er war geschickt, klug und sehr hilfsbereit. Er forderte mich zwar hart, doch ich bemerkte an ihm eine Liebenswürdigkeit, wie sie so kein anderer Ausbilder zeigte. Aber bei ihm war auch eine große Traurigkeit zu spüren. Er scherzte nicht wie die anderen und lachte kaum. Auf seinem Gesicht waren Züge von Resignation, ja sogar einer inneren Leere zu entdecken. Ich war überzeugt, dass er etwas wirklich Fürchterliches erlebt haben musste und dass er durch die Fürsorge für mich und die anderen auch selbst wieder einigermaßen ins Lot kommen wollte. Sein Lob bedeutete mir ungeheuer viel, nicht zuletzt, weil ich wusste, dass es auch ihm viel bedeutete.
     
    Ich liebte das Training. Ich liebte fast alles daran. Ich liebte das Gefühl, eine Waffe in der Hand zu haben, und ich liebte sogar den Rückstoß, nachdem ich abgedrückt hatte. Ich liebte das Gefühl, dass ich alle Waffen vollständig beherrschte. Und ich liebte den Lärm der Schießübungen. Es konnte dabei nicht laut genug zugehen. Verschiedene Gruppen feuerten zur selben Zeit, Gruppen mit einem ganz unterschiedlichen Ausbildungsstand. Pistolen, Sturmgewehre und Mörser schossen oft alle zur selben Zeit in dieser Schlucht auf diesen einzigen Berg! Es klang fast wie ein riesiger Chor. Manchmal lief es mir kalt den Rücken herunter, und ich dankte Gott, dass er mich hierhergebracht hatte.
    Wir mussten nie Munition sparen, und es gab da immer wieder neue Dinge, die man ausprobieren konnte. Die Munition wurde in Höhlen in der Nähe des Camps gelagert. Insgesamt gab es drei Waffenhöhlen, von denen ich zwei betreten habe. Beide sahen von außen ausgesprochen klein aus. Ich musste durch die Öffnung hineinkriechen, da sie nur einen Meter breit war. Innen allerdings waren diese Höhlen wirklich riesig.
    Die erste Höhle enthielt nur Munition – Abertausende ganz unterschiedliche Kugeln und Mörsergranaten. Sie lagerten in Munitionskartons, die bis zur Höhlendecke aufgestapelt waren. Viele Kartons trugen Stempel mit Zahlen und russischen Wörtern. In der zweiten Höhle lagerten nur Minen – alle Sorten von Minen. Auch deren Kisten stapelten sich bis zur Decke, und ich konnte den Aufschriften entnehmen, dass sie hauptsächlich aus Russland, Italien und Pakistan stammten. Die Vorräte schienen endlos zu sein.
    Die dritte Höhle war die größte im Lager. Ich durfte sie allerdings nie betreten. Dies war den meisten von uns verboten. Und gerade weil es verboten war, wollte ich unbedingt wissen, was sie enthielt. Die Ausbilder und einige wenige weitere Brüder durften hinein. Ich fragte sie immer wieder, was sie in ihr gesehen hätten, aber sie antworteten mir in gedämpftem Ton, dass sie nicht darüber reden dürften.
    Einer, der sie betreten durfte, war ein marokkanischer Bruder namens Abdul Haq. Ich sah ihn mehrmals hineingehen, aber er ließ darüber nie ein Sterbenswörtchen verlauten. Außerdem kannte ich ihn auch nicht sehr gut. Er war jung, in seinen Zwanzigern, hatte aber bereits einen Großteil seiner Haare verloren. Er war der kleinste Bruder im gesamten Lager. Ich wusste nur, dass er und seine Schwester in London lebten.

ABEND
    Wenn wir unser Waffentraining beendet hatten, verrichteten wir unsere salat zum Sonnenuntergang und versammelten uns dann in der Kantine. Wir aßen immer gemeinsam. Es gab zwei Afghanen, die für uns kochten. Sie wohnten direkt neben der Kantine am Lagereingang. Hinter ihrer Hütte gab es am Fuße des Berges eine kleine Höhle, in der sie Brot backten. Ein Koch war taubstumm. Aber da wir sowieso nicht mit den Afghanen sprechen durften, war das kaum ein Problem.
    Das Problem war das entsetzliche Essen. Nicht nur, dass es grauenhaft schmeckte, es gab außerdem jeden Tag das gleiche. Wir waren immer hungrig. Jeder von uns verlor während seines Aufenthalts in Khaldan sehr viel Gewicht. Fast immer gab es mittags und abends eine Art Bohneneintopf. Wir aßen fast nie Fleisch,

Weitere Kostenlose Bücher