Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
nämlich, den Dreck mit Sandpapier abzureiben. Das ist das Schlimmste, was man einem Gewehr antun kann, da dies gerade in seinem Innern winzige kleine Kratzer im Metall zurücklässt, in denen sich dann Feuchtigkeit sammeln und danach Rost entwickeln kann. Dies kann zu Ladehemmungen und Fehlschüssen führen.
Dieser ganze Vorgang irritierte mich zutiefst. Man brachte uns ständig bei, jede Waffe mit größtem Respekt zu behandeln, da nach uns noch andere Brüder kommen würden, die sich auf sie verlassen müssten. Also handelte er sehr egoistisch. Und ich konnte an den Blicken, die er ständig um sich warf, erkennen, dass er sich dessen vollkommen bewusst war. In seinen Bewegungen war etwas Unruhiges und Verstohlenes. Er war offensichtlich mit seinen Nerven ziemlich am Ende.
Ich setzte mich neben ihn. „Bruder“, sagte ich, „so reinigt man aber kein Gewehr.“Ich streckte meine Hand aus. „Lass es mich dir einmal zeigen.“
„Ich weiß“, murmelte er vor sich hin. „Das ist mir jetzt ganz egal. Was immer ich tue, ich werde es Abu Bakr doch nicht recht machen können.“
Ich lächelte. Ich wusste, dass die Ausbilder mit fortschreitendem Training immer anspruchsvoller wurden, vor allem wenn es um die Wartung der Waffen ging. In den späteren Übungsphasen, dem taktischen Training, schossen die Brüder ununterbrochen. Je mehr Salven sie abfeuerten, desto schmutziger wurde das Gewehr. Und so verbrachten dann die Ausbilder noch mehr Zeit damit, diese Waffen zu inspizieren, um sicherzustellen, dass die Rekruten sie gut behandelten.
Ich ließ das Thema Gewehr jetzt lieber fallen, da ich schon gerne eine Tasse Kaffee gehabt hätte. Ich bat ihn dann um etwas Kaffee, und er gab mir welchen, beschwor mich aber, niemandem etwas davon zu erzählen. Er sei der Einzige im Lager, der Nescafé trinken dürfe, und der Emir habe ihn aufgefordert, dies geheim zu halten.
Dieser Nescafé sagte mir, dass Abdul Kerim eine wichtige Person sein musste. Es gab normalerweise in diesem Lager keine persönlichen Privilegien und auch keine Geheimnisse. Wenn er im Gegensatz zu den anderen Kaffee trinken durfte, hatte das sicherlich seine ganz spezielle Bewandtnis.
Abdul Kerim genoss es sichtlich, endlich mit jemandem ausführlich reden zu können. Da sein Arabisch so schlecht war, konnte er sich mit den meisten anderen Brüdern nicht unterhalten. Aber ich sprach Französisch wie er, und ich merkte, dass ihn das glücklich machte.
Nach kurzer Zeit begann er über die GIA zu reden, und bald darauf war er beim Thema al-Ansar . Ich erinnerte ihn daran, dass wir nicht über unser früheres Leben sprechen sollten, aber er konnte es nicht lassen. Es sprudelte einfach so aus ihm heraus, und ich konnte an seinen Handbewegungen erkennen, dass er immer aufgeregter wurde. Die Augen bewegten sich unruhig hin und her, als ob er vor etwas Angst hätte.
Dann sah er mich plötzlich direkt an. „Du“, brach es aus ihm heraus. Seine Augen traten ihm vor Aufregung fast aus den Höhlen. „Du bist ein Spion, das weiß ich. Die Franzosen haben dich hergeschickt, um mich zu kriegen.“
Mein Herz hörte fast zu schlagen auf. Wie konnte er das wissen? Und was sollte ich nun tun? Er saß da, mit seiner Kalaschnikow im Schoß, und ich hatte gar nichts. Wir waren allein, Hunderte von Metern von den anderen Brüdern entfernt.
In meinem Kopf ging ich rasend schnell alle Möglichkeiten durch. Ich musste etwas tun. Also lachte ich ihn an.
„Astafur’Allah, Bruder“, sagte ich. Möge dir Gott vergeben. „Hältst du dich wirklich für so wichtig, dass die Franzosen dir einen Agenten bis Afghanistan hinterherschicken würden?“Dann stand ich auf.
„Nein“, lenkte er ein. „Nein, natürlich nicht. Es tut mir leid. Bitte setze dich wieder hin und trinke noch einen Kaffee mit mir.“Dann erklärte er mir, dass er in Frankreich ständig Angst gehabt habe, verfolgt zu werden. Als er mich jetzt auf Französisch über die GIA habe sprechen hören, habe er sich an alles erinnert, was er dort durchgemacht habe.
Ich setzte mich wieder neben ihn und lachte in mich hinein. Ich wusste, dieser Typ würde nichts gegen den einzigen Menschen unternehmen, mit dem er in diesem Lager reden konnte.
Abdul Kerim unterschied sich von allen anderen, denen ich in Khaldan bisher begegnet war, das war klar. Zuerst fragte ich mich, ob er heroinsüchtig sei. Ich hatte Heroinabhängige in Marokko auf den Straßen gesehen, deswegen kannte ich ihre Gesichter, ihre Bewegungen und
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