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Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest

Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest

Titel: Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Hoßfeld
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leicht matte Spiegel mit dicken, goldenen, verzierten Rahmen. Sämtliche Wände sind in einem knalligen Orangeton gestrichen, bis auf Lenas Zimmer, das mit einem prächtigen Lila protzt, und das Badezimmer, das froschgrün gehalten ist. Wenn man durch die Wohnung wandert, kommt man sich vor wie im Regenbogenland.
    Lena und ich trinken Schoko-Cappuccino mit viel Milch aus angestoßenen Tassen mit kitschigen rosa und fliederfarbenen Blümchenmustern und knabbern Müslikekse aus einer Glasschale mit silbernen Löwenfüßen. Unter den Beinen des Küchentischs klemmen verschieden dicke Taschenbücher, damit er nicht wackelt. Es ist unglaublich gemütlich.
    Zwischen uns liegt Lenas englische Grammatik, aufgeschlagen und ein wenig vorwurfsvoll, wie’s scheint. Oder bilde ich mir das nur ein? Bestimmt ist es mein schlechtes Gewissen, das sich meldet. Viel geschafft haben wir jedenfalls nicht. Um ehrlich zu sein, noch weniger, nämlich gar nichts. Kein Wunder, schließlich ist es wesentlich spannender, sich über Jungs und die Liebe zu unterhalten, als sich die Köpfe über den Unterschied zwischen simple present und present progressive zu zerbrechen oder korrekte englische Präpositionen durchzukauen.
    Ich nehme mir noch einen Keks. Als es an der Wohnungstür bimmelt, steht Lena auf.
    „Das wird Krischan sein.“
    „Wer ist Krischan?“
    „Der schnuckelige Biobauer, der uns jede Woche unsere Obst- und Gemüsekiste bringt.“ Lena geht zur Tür. „Wir haben ein Abo. Hannah und Sünje sind zu faul zum Schleppen, und Krischan bringt’s gleich bis ins Haus. Frisch vom Erzeuger sozusagen.“ Sie wirft ihre langen roten Haare nach hinten und lacht.
    Hannah und Sünje sind Lenas Mütter. Hannah ist Tischlerin, Sünje arbeitet als Ergotherapeutin. Krischan kenne ich allerdings noch nicht. Hat Lena gerade was von schnuckelig gesagt? Ich lehne mich mit meinem Stuhl so weit zurück, dass ich um die Ecke in den Flur schielen kann. Eine große Holzkiste wankt mir entgegen, aus der Bananen, Porreestangen und ein Bund Petersilie ragen. Über dem Gemüse taucht ein hübsches Gesicht auf. So sehen ökologische Landwirte heutzutage aus? Wow!
    Lena hat nicht übertrieben. Dieser Krischan ist wirklich schnuckelig! Keine Spur von ausgebeulter Latzhose, speckigem Schafwollpullover und Kuhfladen unter den Gummistiefeln! Er ist groß, stark, braun gebrannt, hat hellblonde Wuschelhaare, blaue Augen und ein Lächeln, bei dem ich glatt vergesse, meinen Mund wieder zuzumachen, der bei seinem Erscheinen reflexartig aufgeklappt ist.
    „Moin!“, strahlt der Jungbauer – nach meinen Schätzungen ist er vielleicht neunzehn, höchstens Anfang zwanzig – und hievt die Abo-Kiste schwungvoll auf das Küchenbüfett.
    Der Duft von frischen Äpfeln zieht durch den Raum und benebelt mein Hirn.
    Mit allergrößter Kraftanstrengung klappe ich endlich meinen Mund zu und höre auf, mit dem Stuhl zu kippeln. „Äh … hallo.“
    Lena kichert. „Auch einen Cappuccino, Krischan?“
    „Klar.“ Der attraktive Obst- und Gemüseerzeuger setzt sich so selbstverständlich an den Küchentisch, als würde er seit Generationen zur Familie gehören. Aber vielleicht tut er das ja auch. Möglicherweise ist er ein Cousin oder ein um drei Ecken entfernter Verwandter. Keine Ahnung. Wortlos schiebe ich ihm die Müslikekse hin. Wer den ganzen Tag körperlich arbeitet und Kisten mit Vitaminbomben schleppt, hat bestimmt großen Appetit.
    Tatsächlich greift Krischan sofort zu.
    „Und wer bist du?“ Der Blick aus seinen Augen gibt mir ganz kurz das Gefühl, bis in mein Innerstes durchleuchtet zu werden.
    Wer? Ich? Ach so …
    „Ähm, ich bin … Conni.“
    „Conni. Soso.“ Er stippt seinen Keks in den Cappuccino, den Lena ihm in einem angeschlagenen Herzchenbecher serviert hat, und mustert mich ziemlich lange.
    Oh Mann. Wäre ich nicht ohne Wenn und Aber und mit Haut und Haaren vollkommen auf Phillip fixiert, würde mich dieser Blick garantiert noch etwas mehr aus dem Konzept bringen, als es so schon der Fall ist.
    Lena räumt unbeeindruckt die Kiste aus, drapiert das Obst und das Gemüse in diverse Körbe und Schalen und verstaut alles in der Speisekammer. Ihr Gesicht ist undurchdringlich.
    Krischans eisblaue Röntgenaugen streifen die Englischgrammatik.
    „What are you wearing at the party tonight?“ , liest er in nahezu perfektem Englisch vor und liefert die Antwort gleich dazu. „I haven’t made up my mind yet. But I think I will find something nice in my

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