Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest
zwanzig vor acht schon so viel Energie haben?
„Ich will das, was du zum Frühstück hattest“, murmele ich vor mich hin.
„Wie jetzt? Ich soll mein Nutellabrötchen wieder hochwürgen? Mitsamt dem leckeren Holundertee, den Sünje literweise in uns reinschüttet, weil er so gesund sein soll?“ Lena starrt mich entsetzt an. „Ist nicht dein Ernst!“
„Natürlich nicht“, gähne ich und schlappe weiter.
An der Mauer neben der Eingangstür steht in Pink: DIE GANZE WELT IST EIN IRRENHAUS UND HIER IST DIE ZENTRALE.
„Sieht aus, als hätten wir einen Sprayer an unserer Penne!“ Paul hat uns eingeholt.
„Ein echter Philosoph“, nicke ich.
„Ich find’s cool“, meint Lena. „Schön bunt. Ach, übrigens … “, wendet sie sich an mich. „Wie sieht’s mit unserer privaten Lerngruppe aus? Wollen wir uns nicht mal wieder treffen?“
„Mit oder ohne Biokiste?“, frage ich zurück.
Sie grinst. „Von mir aus gerne mit. Ich wollte Krischan sowieso fragen, ob er Lust hat, mit mir auf die Fete zu gehen.“
Paul ist in dem Gewühl in der Eingangshalle verschwunden. Lena und ich schieben uns die Treppe hoch.
„Du willst den Jungbauern mitbringen?“
„Klar“, sagt Lena. „Why not?“
„Weil er ein bisschen zu alt ist, zum Beispiel?“
„Wer sagt das?“
„Ist nur so eine Vermutung.“
„Es soll Frauen geben, die auf ältere Männer stehen“, säuselt Lena und hält mir die Tür auf.
„Ich wusste nicht, dass das auf dich zutrifft“, kontere ich grinsend. „Aber wenn es dich glücklich macht, lad ihn ein. Hauptsache, er langweilt sich nicht mit dem ganzen jungen Gemüse.“
„Ich werde dafür sorgen, dass es nicht so weit kommt.“ Lena zwinkert mir zu.
Ich habe längst den Überblick verloren, wie viele geladene und ungeladene Partygäste am Freitag in der grafschen Villa aufschlagen werden. Auf jeden Fall ziemlich viele, das steht fest. Ob Phillip noch mitzählt? Es scheint ihn nicht besonders zu interessieren. Hauptsache, die Party wird ein Erfolg. Und das wird sie, garantiert. Inzwischen habe ich meine Eltern breitgeschlagen, dass ich bei Anna übernachten darf. Anna hat ihren Eltern erzählt, dass sie bei Billi schläft. Billi hat Dina vorgeschoben, und Dina wiederum mich. Wir bilden so etwas Ähnliches wie ein soziales Netzwerk; man könnte auch sagen eine Notgemeinschaft. Wir müssen nur höllisch aufpassen, dass nirgends eine Lücke entsteht.
Die Einzige, die ganz offiziell so lange feiern darf, wie sie will, ist Lena. Ihre Mütter haben nichts dagegen, dass sie sich die Nächte um die Ohren haut. Echt beneidenswert.
Je näher das Wochenende rückt, desto mehr gerät die Schule in den Hintergrund. Niemand von uns verschwendet mehr einen Gedanken an Tests, Referate oder Hausaufgaben. Irgendwann fällt das auch dem hinterwäldlerischsten Lehrer auf. In diesem Fall Herrn Horst, unserem zwar nicht besonders beliebten, aber normalerweise harmlosen Experten für alles, was mit geschichtlichen Ereignissen von der Steinzeit bis zur Neuzeit zu tun hat.
Geschichte ist weder Lenas noch mein Lieblingsfach. Dass Horsti uns trotzdem einen Vortrag aufbrummt (und das nur, weil wir uns in der letzten Stunde darüber unterhalten, wie viele Bleche Pizza wir am Freitag backen müssen!), finden wir daher nicht besonders fair.
„Können wir den Vortrag bitte in der nächsten Woche halten?“, fragt Lena diplomatisch. „In dieser Woche haben wir schon ziemlich viel um die Ohren, Herr Horst.“
„Eure Ohren interessieren mich nicht“, kläfft unser Geschichtslehrer. „Hier geht es um historische Ereignisse. Es bleibt bei Freitag. Und nicht unter einer halben Stunde!“
Shit!
„Wann sollen wir das denn noch machen?“, jaule ich in der Pause.
„Am besten gleich heute“, meint Lena. „Je früher wir das Referat vorbereiten, desto eher haben wir’s aus’m Kopp und können uns wichtigeren Dingen widmen.“
„Deinem Biobauern zum Beispiel“, sage ich.
„Stimmt genau!“ Lena lacht. „Heute ist Montag, Abo-Tag. Da können wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Oder drei, wenn wir die Englischgrammatik noch dazunehmen.“
„Wie praktisch“, finde ich, obwohl mir die Planung ein bisschen zu umfangreich ist. Wir sollen Englisch lernen, ein Geschichtsreferat vorbereiten und den süßen Krischan in Partylaune versetzen? Alles an einem einzigen Nachmittag? Lenas Optimismus möchte ich haben; wenigstens ein bisschen davon.
„Ich bin gegen drei bei dir“, seufze ich.
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