Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest
schon mal in die Küche und macht’s euch gemütlich!“
Krischan murmelt etwas, das wie „Wegen mir kannst du gerne so bleiben“ klingt, und schiebt sich mitsamt seiner Kiste durch den engen Flur. Ich folge ihm und lasse mich auf einen Küchenstuhl fallen. Auf dem Tisch stehen drei Becher undeineThermoskanne mit heißem Tee neben einer Schale, die mit Schokoladenstückchen und Haribokonfekt gefüllt ist. Ich werfe mir sofort ein paar davon in den Mund, während Krischan das Gemüse auspackt und sachkundig in diversen Schränken und Körben verstaut, als wäre er tatsächlich hier zu Hause und nicht nur einmal pro Woche als Lieferant zu Besuch.
Es fällt mir schwer, einen entsprechenden Kommentar zu unterdrücken, aber ich schaffe es. Stattdessen frage ich ihn nach dem komischen Knubbelzeugs in seiner Lieferung.
„Batatas“, erklärt er mir. „Süßkartoffeln.“
„Ach“, sage ich, weil mir nichts Geistreicheres einfällt.
Als Lena auftaucht, wirft Krischan ihr so einen strahlenden Blick zu, dass mir schon vom Zusehen warm ums Herz wird.
Lena sieht aber auch wirklich zum Anbeißen aus. Noch ganz rosig und weich gespült von ihrem Schaumbad, verbreitet sie einen betörenden Duft nach Vanille, Kokos und Veilchen um sich herum. Was sie anhat, würde bei jeder anderen albern aussehen; nicht bei Lena. Eine zerfetzte Männerjeans mit Farbklecksen und ein kariertes, drei Nummern zu großes Baumfällerhemd. Darunter trägt sie ein zartrosa T-Shirt, auf dem passenderweise I’m your Babe steht. Ihre Füße sind nackt. Ihre langen, hexenroten Haare hat sie zu einem dicken Strang gedreht. Ob sie ihren sexy Auftritt geplant hat? Angefangen mit meinem vergeblichen Klingeln und der anschließenden Show-Einlage als triefende Badenixe?
Ich schiebe mir noch ein paar Haribos zwischen die Kiemen und unterdrücke ein Kichern. Lena wirft mir einen amüsierten Blick zu.
Krischan lehnt an einem Küchenbord, hat knallrote Ohren und grinst verzückt vor sich hin. Es dauert ein Weilchen, bis wir zur Tagesordnung übergehen.
Leider hat der hübsche Bauer nicht viel Zeit, um mit uns englische Grammatik zu üben. Er muss noch einige Stammkunden beliefern, die übers ganze Stadtgebiet verteilt sind, und außerdem ist er dermaßen unkonzentriert, dass sein Englisch bei weitem nicht so perfekt ist wie beim letzten Mal.
Lena und ich sehen großzügig darüber hinweg. Ich schlürfe meinen Tee, während sie Krischan mit Schokolade füttert.
Kurz bevor er geht, stupst sie ihn mit ihrem nackten Fuß an und fragt, ob er Freitagabend schon was vorhätte.
„Nö“, meint er.
„Cool!“, strahlt Lena. „Hast du zufällig Lust auf eine Party?“
Diese Frage hätte sie sich getrost sparen können. Krischan würde so offensichtlich überall mit ihr hingehen – vollkommen egal, ob auf eine Party, zum Zahnarzt oder in ein multinationales Krisengebiet – , dass es mich nicht im Geringsten überrascht, als er, ohne zu zögern, nickt. Seine Augen haben einen fiebrigen Glanz. Muss ich mir Sorgen machen? Er sieht aus, als würde er jeden Augenblick kollabieren.
Bevor er unterzuckert, schiebt Lena ihm schnell noch ein Stückchen Vollmilchnuss hin.
„Cool“, sagt sie noch einmal. „Würdest du mich abholen? So um neun oder halb zehn?“
„Äh … “, mache ich. „Ich will mich ja nicht einmischen, aber ich glaube, wir sollten lieber etwas früher da sein. Wir müssen noch aufbauen und so.“
„Kein Problem“, sagt Krischan sofort.
Wir verabreden, dass er Lena gegen sechs abholt und die beiden dann direkt zu Phillip kommen.
„Ich werde wohl gleich von der Schule aus hinfahren“, sage ich. „Wir sehen uns dann da.“
Krischan nickt mir zu und klemmt sich seine leere Kiste unter den Arm.
Mit einem fröhlichen „Ciao!“ grinse ich ihm hinterher.
Lena begleitet ihn zur Tür. Es dauert verdächtig lange, bis sie zurückkommt. Love is in the Air … , summe ich vor mich hin.
Natürlich kommen wir an diesem Nachmittag nicht mehr zum Lernen. Wir beschäftigen uns weder mit Englischgrammatik noch mit unserem Geschichtsreferat. Alles andere ist wichtiger. Die Liebe zum Beispiel, die immer noch fast greifbar in der Küche hängt, obwohl der Mann mit den Bataten längst weg ist.
„Los, sag schon! Hat er dich geküsst?“, will ich von Lena wissen, kaum dass sie wieder mit untergeschlagenen Beinen auf ihrem Stuhl hockt und selig lächelnd in ihrem Tee rumrührt.
„Nicht er mich“, grinst sie, „aber ich ihn. Ich glaub, er ist
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