Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest
Beispiel, einen ungerechten Lehrer oder die Weltpolitik im Allgemeinen und Besonderen. In Kombination mit seiner ruhigen Stimme sorgt es dafür, dass ich fast auf der Stelle runterkomme. Fast wie ein Fahrstuhl, der sich leise und kaum merklich abwärtsbewegt. Wie macht er das nur?
„Danke“, sage ich und atme tief aus.
„Kein Problem.“ Ich höre sein Lächeln durch mein Handy und wäre jetzt gerne bei ihm.
Auch ein verkorkster Vormittag führt irgendwann zum Ziel.
Das Wochenende kommt irgendwie überraschend schnell. Zu schnell, wenn ihr mich fragt. Heute ist schon Donnerstag, morgen ist Party, und wir haben noch so viel zu tun! Immer noch habe ich das saublöde Gefühl, dass so gut wie gar nichts organisiert und vorbereitet ist. Nichts. Nada. Niente.
Ein bisschen liegt das aber auch an mir, das muss ich zugeben. Ich hatte einfach zu viel um die Ohren.
Zuerst musste ich mich mal um Anna kümmern. Ihre anfängliche Wut ist nahtlos in Traurigkeit umgeschlagen. Sie läuft herum wie Falschgeld. Sie ist blass, verheult und kaum ansprechbar. Zuerst dachte ich, sie hätte sich ganz gut im Griff. Besonders, nachdem Phillip Lukas umgehend zu verstehen gegeben hat, dass er und seine Muskelfreunde aus dem Studio nicht auf seiner Party erwünscht wären. Phillip hat die Typen zwar nicht direkt ausgeladen, ihnen aber deutlich gemacht, dass er nicht besonders viel von ihnen hält.
Als ich Phillip erzählt habe, was zwischen Anna und Luki vorgefallen ist, war er ziemlich außer sich und hat sofort reagiert. Manchmal könnte ich ihn knutschen, und zwar mit Anlauf. Er redet nicht lange rum, sondern macht einfach. Das liebe ich so an ihm. Und noch viel mehr natürlich.
Ob Lukas den Ernst der Lage kapiert hat, wage ich zu bezweifeln. In den letzten Tagen ist er zwar auf Abstand gegangen und hängt mit seinen alten Freunden aus der Parallelklasse auf dem Schulhof rum, aber Anna lässt er dabei nicht aus den Augen. Irgendwie unheimlich. Fast ein bisschen Stalker-mäßig.
Und Anna? Die kommt mir im Moment so vor, als wäre sie hin und her gerissen. Als würde sie in der einen Sekunde am liebsten quer über den Schulhof sprinten, um sich ihrem schwachköpfigen Exfreund in die Arme zu werfen und ihm alles zu verzeihen, während sie in der nächsten Sekunde finstere Rachepläne gegen ihn schmiedet. Es ist ein bisschen schwierig mit ihr zurzeit.
Wenn ich an morgen denke, habe ich ein ganz merkwürdiges Gefühl. Eine Art Vorahnung, dass irgendwas Blödes passiert. Aber vielleicht bin ich auch einfach nur hysterisch. Wäre kein Wunder. Allein schon wegen Lenas und meinem Geschichtsvortrag zum Beispiel.
Natürlich haben wir es bisher nicht geschafft, ein einigermaßen anständiges Referat auszuarbeiten oder wenigstens so etwas Ähnliches wie ein tragfähiges Konzept. Und die Chancen, es bis morgen noch zu schaffen, sind auch eher gering. Ich wüsste jedenfalls nicht, wie, wo und wann das gehen sollte.
Lena ist liebesbedingt komplett von der Rolle. Sie schwebt in irgendwelchen unerreichbaren Sphären zwei Meter über dem Boden, hüpft dabei von einer Zuckerwattewolke zur nächsten und hat seit Montag nur noch Biogemüse im Kopf.
Und ich? Ich bin mit dem Kummer anderer Leute beschäftigt und habe außerdem hart daran gearbeitet, meine frisch gewaschene Partyjeans mit Stickereien, Pailletten, Perlen und ein paar Flicken aufzurüschen. Leider war das Ganze wesentlich umfangreicher, zeitaufwendiger und viel komplizierter, als ich es mir in meiner Naivität ausgemalt hatte. Aber ich hab’s geschafft. Und das Ergebnis ist so phänomenal, da kann sogar Vivienne Westwood einpacken!
Bleiben also nur noch Herr Horst und seine Vorstellungen von einem gelungenen Schülervortrag, seufz …
„Heute Nachmittag ist unsere letzte Chance“, sage ich zu Lena. Wir haben eine Freistunde und hängen im Aufenthaltsraum ab. Lena hat zwei Stühle vors Fenster geschoben. Unsere Füße liegen auf der Fensterbank. „Oder jetzt sofort! Dann haben wir’s wenigstens hinter uns.“
„Ich hab meinen Geschikram aber nicht dabei“, murmelt Lena und blinzelt träge in die Sonne, die durch das geöffnete Fenster auf ihr Gesicht fällt. „Du etwa?“
Natürlich liegt mein Geschichtsbuch zu Hause. Genau wie mein Geschichtsordner. Mist.
„Wir könnten uns ein Buch aus der Bibliothek holen“, schlage ich halbherzig vor.
„Die hat zu“, nuschelt Lena.
Leider hat sie Recht.
„Dann treffen wir uns eben heute Nachmittag“, versuche ich sie zu
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