Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest
oder?“, murmelt Cem.
„Nein!“, rufen Billi, Dina und ich im Chor.
„Okay, okay.“ Cem zieht den Kopf zwischen die Schultern und grinst.
„Ich versteh’s selber nicht“, sagt Anna zerknirscht. „Ich kann’s auch nicht erklären. Ich war einfach nur frustriert!“
„Hast du zufällig gerade deine Tage?“, mischt Lena sich ein. „Frauen, die unter großem emotionalem Stress stehen und menstruieren, können vor Gericht auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren. Das hab ich neulich erst in einer Zeitschrift gelesen. Du warst tatsächlich nicht zurechnungsfähig, Süße.“ Sie beugt sich über den Tisch und tätschelt Anna liebevoll die Hand. „Das bedeutet Freispruch, ganz klar.“ Dann wirft Lena einen finsteren Blick auf Lukas und zeigt ihm den Mittelfinger. „Das gilt nicht für dich, Mister Muskel! Wir alle wissen, dass du für Annas Unzurechnungsfähigkeit verantwortlich bist. Schäm dich!“
Lukas zuckt schuldbewusst zusammen. Er wird sogar ein bisschen rot.
Ich muss lachen. Vermutlich hat Lena Recht, und Anna war wirklich nicht zurechnungsfähig. Denn eins steht fest: Wer sich mit Lukasss Schwachbirne Muskelmann abgibt, kann definitiv nicht bei klarem Verstand sein!
„Was gibt’s da zu lachen?“, brummt Phillip von der Seite. Er sieht ein bisschen eingeschnappt aus.
Aus meinem Lachen wird ein Prusten.
„Ich kann nicht anders, tut mir leid“, kichere ich.
Nach und nach fallen die anderen in mein albernes Gegiggel ein. Es ist wie eine Kettenreaktion. Wie beim Domino Day. Einer stößt den ersten Stein an, und dann …
Anna sieht ein bisschen hin und her gerissen aus, als würde sie sich nicht trauen mitzulachen. Doch dann verzieht sie ihren Mund und lächelt.
Ich spüre, wie erleichtert sie ist. Wir sind nicht böse auf sie. Niemand macht ihr einen Vorwurf.
„Eigentlich war’s doch ’ne geile Party“, meint Paul, als wir uns endlich halbwegs beruhigt haben.
„Ist nicht dein Ernst, oder?“, fragt Krischan.
„Doch“, beharrt Paul. „Ich fand’s saucool!“
„Das glaubst du nur, weil du alles durch deine rosarote Brille siehst“, ziehe ich ihn auf.
„Auf ein paar Features hätte ich gut verzichten können“, meint Phillip breit grinsend. „Besonders auf das Kloschrubben. Aber wo Paulchen Recht hat, hat er Recht: Insgesamt war’s ’ne ziemlich geile Party!“
„Stimmt. Auf jeden Fall war’s kein Kindergeburtstag.“
Paul schrumpft ein wenig in seinem Stuhl, als ich das sage. Ich werfe ihm schnell ein Lachen an den Kopf. Alles ist gut.
Schockzustand hoch zehn!
Untertitel: Wie kann er mir das antun?
Der Stress mit den Nachbarn hat sich ziemlich geschmeidig in Wohlgefallen aufgelöst. Phillip hat sich bei allen entschuldigt, und sie haben es akzeptiert. Genial. Nicht mal Herr Graf hat bei seiner Rückkehr einen Anfall gekriegt. Allerdings hat er darauf bestanden, dass wir alles, was bei der Party beschädigt wurde, wieder in Ordnung bringen oder ersetzen. Aber das war uns klar. Ist also kein Problem. Jesko hat seinen Eltern den kaputten Spiegel gebeichtet. Zum Glück haben sie eine Haftpflichtversicherung, die einspringt.
Obwohl inzwischen – im wahrsten Sinne des Wortes – längst Gras über die Sache gewachsen ist, sorgt unsere Party noch Tage danach für Gesprächsstoff in der Schule, und wir werden ständig darauf angesprochen. Die halbe Oberstufe will wissen, wann die nächste Fete steigt. Die Kleinen aus der Unterstufe hören neidisch zu.
Dabei hat der schnöde Alltag uns längst wieder im Griff. In ein paar Wochen fangen die Sommerferien an, und wie immer um diese Zeit passiert es, dass sämtliche Lehrer gleichzeitig damit beginnen, uns wichtige Tests und Klausuren schreiben zu lassen. Und das, obwohl der Ferientermin seit mindestens einem Jahr feststeht und ganz und gar nicht überraschend kommt. Wie organisieren die eigentlich sonst ihr Leben? Auch immer auf den letzten Drücker und alles auf einmal? Echt abtörnend.
Anna und Lukas sind seit der Party wieder zusammen. Im Grunde ist alles wie vorher. War ja irgendwie klar. Er tentakelt an ihr rum; sie schmachtet kuhäugig zurück. Ich frage mich, ob sie ihre Ankündigung schon wahr gemacht hat. Aber eigentlich sieht sie aus wie immer. Jedenfalls nicht so, als hätte sie schon Sex gehabt. Kann man das überhaupt sehen? Ich bilde mir ja irgendwie ein, dass so ein wichtiges Ereignis deutlich sichtbare Spuren hinterlassen muss. Dass man hinterher anders aussieht vielleicht. Eine andere Körperhaltung
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