Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest
aus dem Gewirr der anderen Räder befreien. Gerade habe ich ihn gefragt, ob wir zusammen ins Freibad wollen, weil ausnahmsweise mal die Sonne scheint, aber er guckt einfach durch mich hindurch und gibt keine Antwort.
„Hast du mir überhaupt zugehört?“
„Natürlich!“
„Und?“
„Was und?“
Bitte schön. Das ist der Beweis. Er hat natürlich nicht zugehört!
„Wollen wir nachher ins Freibad?“
„Freibad?“, fragt er unsicher.
„Ach, vergiss es!“ Schnaubend zerre ich mein Rad aus dem Unterstand und krempele mein linkes Hosenbein energisch bis unters Knie. Ich bin neulich erst in der Kette hängengeblieben, mitten auf einer Kreuzung. Es ist nicht besonders witzig, von allen Seiten angehupt zu werden, während man krampfhaft versucht, seine Jeans aus einer blockierten Fahrradkette zu ziehen und dabei möglichst elegant hoppelnd die andere Straßenseite zu erreichen, obwohl die Autos links und rechts längst Grün haben. Ich habe es sofort in meine Liste von Dingen, die nerven und keine Wiederholung brauchen, eingetragen, die ich vor kurzem auf meinem Laptop eingerichtet habe.
Natürlich führt Phillips akute geistige Anwesenheitsblockade diese Liste an, und zwar haushoch. Was soll ich mit einem Freund, der zwar neben mir steht, aber in Gedanken Lichtjahre weit weg ist? Mich würde brennend interessieren, wo er ist, wenn er abwesend ist. Aber er sagt nichts. Es ist zum Krisekriegen!
„Komm doch zu mir“, schlägt er vor. „Wir können in den Pool.“
Seine braunen Augen funkeln warm. Ein tiefer Blick, und es ist um mich geschehen. Privatpool? Gebongt.
„Okay. Um drei?“
Phillip nickt erleichtert.
Auf dem Nachhauseweg denke ich nach. Es geht gar nicht anders. Ganz automatisch drängt sich der Gedanke auf, ein anderes Mädchen könnte hinter Phillips merkwürdigem Benehmen stecken.
Ich meine, woran denken Jungs zuerst, wenn sie denken? Richtig, an Fußball. Und an zweiter Stelle kommen Mädchen, wenn ihr mich fragt. Eins steht fest: Phillip sieht umwerfend aus (sonst hätte ich ihn mir nicht ausgesucht, haha!), und natürlich bemerke ich die Blicke der anderen Mädchen, wenn er an ihnen vorbeigeht. Ich bin schließlich weder blöd noch blind, sondern nur blond.
Ich wette, allein an unserer Schule gibt es mindestens zwanzig Tussis verschiedener Altersstufen, die sofort mit mir tauschen würden, wenn sie die Gelegenheit dazu hätten. Und ein paar von denen würden garantiert vor nichts zurückschrecken, um mir meinen Freund auszuspannen. Ich wiederhole: vor nichts.
Muss ich mir Sorgen machen?
Eigentlich bin ich mir absolut sicher, was Phillips Treue angeht. Wir lieben uns. Treue ist für uns beide unheimlich wichtig. Vielleicht das Wichtigste überhaupt, neben Ehrlichkeit natürlich. Trotzdem ist das keine Garantie, ich weiß.
Je länger ich darüber nachdenke, umso mulmiger wird mir. Ist Phillip auf Abwegen? Denkt er an ein anderes Mädchen, wenn er mit mir zusammen ist? Schon der Gedanke daran genügt, dass mir auf der Stelle schlecht wird. Und obwohl die Sonne scheint, bekomme ich Gänsehaut.
Auf der anderen Seite, versuche ich mich zu beruhigen, hat er ständig so viel um die Ohren, dass er überhaupt keine Zeit für eine andere hätte. Wann sollte er mich betrügen? In der Schule laufen wir uns andauernd über den Weg, nachmittags ist er in allen möglichen Sportvereinen und AG s, und den Rest der Zeit verbringen wir zusammen. Mal bei ihm, mal bei mir, mal bei unseren Freunden. Da ist nirgendwo Platz für ein anderes Mädchen.
Betrug fängt im Kopf an, sagt eine innere Stimme zu mir.
Stimmt das? Hm, tja, irgendwie schon. Aber ist es wirklich schon Betrug, nur wenn er hin und wieder vielleicht an ein anderes Mädchen denkt? Ich denke schließlich auch mal an andere Jungs. Selten zwar, aber es kommt vor. Ist ja auch nichts dabei, oder?
Solange es nur hin und wieder passiert, nicht, sagt die Stimme in meinem Hinterkopf. Aber wenn es zum Dauerzustand wird …
Punkt, Punkt, Punkt? Was soll das denn heißen?
Leider schweigt die Stimme. Ich weiß auch so, was sie mir sagen wollte: Phillips permanente Träumerei sollte mir ein Warnsignal sein. Ich sollte es ernst nehmen und versuchen herauszufinden, was dahintersteckt. Und zwar, bevor es zu spät ist.
„Bevor eine andere mir meinen Freund wegnimmt!“, sage ich laut und erschrecke fast darüber. Über den bloßen Gedanken, und noch viel mehr über die Bedrohung, die dahintersteht. Ich glaube, ich würde sterben, wenn Phillip eine
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