Mein Leben für dich
ihm.
»Ich bin enttäuscht, Herr Winter. Mehr als enttäuscht. Ich habe Ihnen vertraut.«
Seine Worte brannten in meinem Kopf, aber ich konnte mich nicht verteidigen. Er hatte in allen Punkten recht. Ich habe mir den Job erschlichen, ich bin nicht ehrlich gewesen. Und wenn er herausfinden sollte, dass ich tatsächlich Mitglied einer Straßengang war und außerdem mit seiner Tochter geschlafen habe, dann wird er im Nachhinein noch einen Killer auf mich ansetzen – oder zumindest die Polizei.
Ich ging, ohne mich von Mia zu verabschieden. Ich bin mir sicher, mittlerweile weiß sie, was passiert ist. Auch sie spürte, dass unser Glück nur von kurzer Dauer sein würde, nachdem sie den Zeitungsartikel gelesen hatte. Ich habe es daran gemerkt, wie sie sich für den Rest des Wochenendes an mir festklammerte, wie sie mich ansah, wie sie schwieg, wie sie lachte und wie sie mit offenen Augen neben mir lag und sich dagegen wehrte einzuschlafen, weil sie die Zeit, die uns noch blieb, in die Länge ziehen wollte. Wir redeten nicht über unsere Ängste, denn das hätte nichts gebracht. Außer, dass sie noch früher real geworden wären.
Ich packe das wenige Zeug aus, das ich aus dem Hotel mitgenommen habe. In Bens Wohnung wollte ich nicht einziehen, obwohl es natürlich das Praktischste gewesen wäre. Erstens kommt er bald zurück und zweitens wäre ich zu nah an Ricks Dunstkreis. Wobei es auch so nur eine Frage der Zeit ist, bis er mich findet. Wenn er es auf mich abgesehen hat, dann wird es keine zwei Tage dauern, bis er weiß, wo ich stecke.
Ich zünde mir eine Kippe an, zum ersten Mal seit Wochen. Ich sauge den Rauch tief in meine Lunge ein und schließe die Augen. Keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Möglicherweise nehmen sie Kai so lange in die Mangel, bis er singt. Im Moment lässt mich die Vorstellung seltsamerweise kalt. Viel unerträglicher ist mir der Gedanke, Mia für immer zu verlieren. Aber ihr Leben zu ruinieren, indem ich ihr weiterhin nahe bin, mit Rick und dieser schrecklichen Ungewissheit im Nacken, ist noch schlimmer. Sie hat sich in ihren Bodyguard verliebt, von dem sie glaubte, er wäre stark und würde auf sie aufpassen, sie vor allen Gefahren beschützen. Aber ich habe genau das Gegenteil bewirkt. Ich habe die Probleme nur angezogen und Mias Leben dadurch erst recht gefährdet. Das muss aufhören.
Ich hatte mich beschworen, niemals zu vergessen, woher ich komme, aber es ist doch passiert. Ich habe ignoriert, dass ich ein Niemand bin, der nur kurz in die Rolle eines anderen schlüpfen durfte. Ich habe es verdrängt, weil ich wenigstens für einen kleinen Augenblick in meinem beschissenen Leben glücklich sein wollte. An Mias Seite, ohne ihr Bodyguard zu sein. Und was ist jetzt noch von mir übrig? Ein Typ von der Straße, mit null Perspektiven und einem Armanianzug im Schrank. Etwas Armseligeres gibt es kaum.
Mia
Mein Vater steht in meiner Zimmertür und klärt mich über Simons Rausschmiss auf, mit einer Sachlichkeit, als würde er mir irgendwelche Aktienkurse vorlesen. Er weiß nicht, dass jeder einzelne Satz sich für mich anfühlt wie eine Ohrfeige.
»Du … hast ihn einfach rausgeworfen? Ohne vorher mit mir zu sprechen? Ohne ihn … irgendetwas erklären zu lassen?«, stoße ich hervor.
»Was gibt es da noch zu erklären? Simon Winter ist ein Verbrecher, egal, wie man es betrachtet. Er hat mich belogen und mein Vertrauen missbraucht. Genauso wie deins. Wenn ich mir überlege, was alles hätte passieren können … Ich fasse es nicht, was ich hier sehe.« Er schmeißt mir zwei Zeitungsseiten vor die Füße. Auf beiden ist ein Foto von Simon und mir abgebildet, das zeigt, dass wir nicht nur geschäftlich miteinander zu tun haben.
Ich stemme die Hände in die Hüften. »Du bist so verbohrt«, schleudere ich ihm wütend entgegen. »Du denkst, deine Art zu leben wäre die einzig richtige. Es kümmert dich nicht, was andere fühlen, du interessierst dich doch überhaupt nicht für ihre Geschichten und ihre Sicht der Dinge!«
»Du glaubst also, es wäre nicht verwerflich, sich auf hinterhältige Weise einen Haufen Geld zu erschleichen, um damit Drogengeschäfte zu finanzieren?«, brüllt er.
»So war es aber nicht!«, schreie ich zurück. »Siehst du, du willst ja noch nicht einmal richtig zuhören, es ist dir zu unbequem, die Wahrheit zu erkennen, weil du dann deine sture Denkweise ändern müsstest, und das überfordert dich!«
»Mia –«
»Nein, jetzt hörst du mir zu!« Die Wut treibt
Weitere Kostenlose Bücher