Mein Leben für dich
und immer wieder den Augenblick ins Gedächtnis rief, als wir uns so intensiv anschauten, sein Gesicht über meinem, und mein Herz dabei klopfte, als würde es einen Marathon hinlegen, das werde ich niemandem verraten, nicht einmal Janine. Ich muss anscheinend doch einen kleinen Sonnenstich abbekommen haben. Simon Winter und ich, das ist wie … ach, keine Ahnung. Neptun und die Sahara. Noch nicht einmal die Vorstellung, wie es wäre, wenn er und ich –
»Hallo, Mia, bist du noch dran? Was war gestern, bitte schön?«, bohrt Janine natürlich nach. »Gibt es da etwas, was du mir erzählen möchtest?«
Ich seufze. »Nein, eigentlich nicht.«
»Eigentlich? Aha, also findest du ihn toll. Wusste ich es doch!«
»Kai? Ja, klar, habe ich dir doch erzählt, deshalb bin ich ja auch so down, dass er gleich an meinem ersten freien Nachmittag –«
»Blödsinn, ich meine Simon Winter.«
»Wie bitte?«
»Du magst deinen Bodyguard, Mia, und das macht dir eine Heidenangst, weil er absolut nicht deiner albernen festgefahrenen Vorstellung von einem gebildeten, kultivierten Traummann entspricht.«
»Was? Jetzt hör schon auf, das stimmt nicht«, motze ich meine Freundin an.
»Also, wenn ich du wäre, würde ich auf den ganzen Statuskram pfeifen und mir denjenigen angeln, der mein Herz wirklich berührt. Und was die Sache mit dem Geldbeutelumfang betrifft: Dieser Punkt gilt nicht für dich, du bist nun wirklich selbst reich genug!«
»Also … weißt du was?« Ich merke, wie plötzlich eine gehörige Portion Wut in mir hochkocht. Janine und ihre Allwissenheit! Ständig glaubt sie, über den Dingen zu stehen und über alles und jeden Bescheid zu wissen, selbst aus der Entfernung. »Jetzt hör mit deinen dämlichen Weisheiten auf, und vor allem sag mir nicht, in wen ich verknallt zu sein habe. Ich weiß schließlich am besten, wer ich bin und wie ich mir mein Leben vorstelle, okay? Ich habe wenigstens einen Plan und grabe nicht alles an, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Schau dich mal lieber an: Hattest du bis jetzt auch nur eine normale Beziehung? Warum sollte ich auf jemanden hören, der selbst bloß immer in die Scheiße langt, wenn es um Typen geht?« Ich bin unbewusst immer lauter geworden und mein Herz klopft wie verrückt, so aufgebracht bin ich!
Am anderen Ende bleibt es still. Sekunden vergehen, und ich merke, wie mich plötzlich ein anderes Gefühl beschleicht, das immer intensiver wird, bis es noch stärker ist als meine Wut. Schlechtes Gewissen. »Janine?«, sage ich leise.
Ich höre sie am anderen Ende atmen.
»He, Janine … Es tut mir leid, okay? Ich hätte das nicht sagen dürfen, das war gemein. Süße …?«
»Pass einfach auf dich auf, Mia. Du verrennst dich da in was.« Es klickt, dann ist Janine weg.
Ich starre auf mein Handy. Soll ich sie noch einmal zurückrufen? So still und vor den Kopf gestoßen habe ich Janine noch nie erlebt. Ich dumme Kuh muss sie wirklich verletzt haben. Was ist denn in letzter Zeit bloß los mit mir? Je mehr ich versuche, alles richtig zu machen, desto mehr läuft alles aus dem Ruder.
Nein, sage ich mir, ich lasse Janine lieber ein bisschen in Ruhe. Morgen ist auch noch ein Tag, sich auszusprechen. Janine ist nicht nachtragend, sie wird mir verzeihen. Ich werde ihr einfach erklären, dass ich im Moment durch den Wind bin. Eine Stadt, in der ich kaum jemanden kenne, ein Vater, an den ich mich erst gewöhnen muss, all meine Vorsätze … Das ist ziemlich viel auf einmal, aber ich werde das schon auf die Reihe kriegen. Es wird sich alles richten.
Plötzlich merke ich, wie Tränen in meine Augen steigen, und ich setze schnell meine Sonnenbrille auf. So kann ich wenigstens so tun, als wäre alles in Ordnung mit mir, auch wenn gar niemand in der Nähe ist, der mich sehen könnte. Ich blinzle so lange, bis sich die Tränen wieder verziehen. Dann greife ich erneut zu meinem Handy. Ich klicke, keine Ahnung, warum, im Menü auf den Namen meines Bodyguards und betrachte die Schrift bestimmt eine Minute lang: Simon Winter , flimmert es vor meinen Augen. Dann mache ich etwas, was ich selbst nicht ganz verstehe. Ich gehe auf Bearbeiten und lösche die Buchstaben r, e, t, n, i, W. Jetzt steht da nur noch Simon . Ein Vorname. Wie der eines engen Freundes, jemand, dem man vertraut und dessen Nachnamen man gar nicht mehr benötigt, weil man ihn so gut kennt. Ich hebe den Finger, zögere aber damit, auf Speichern zu drücken. Genau in diesem Moment sehe ich aus den Augenwinkeln,
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