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Mein Leben für dich

Mein Leben für dich

Titel: Mein Leben für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loewe
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blickt scheu zu mir auf und ich kann kaum mehr einen klaren Gedanken fassen. Ihr Gesicht verschwimmt vor meinen Augen und ich vernehme ihre Worte nur noch wie ein Rauschen. »Du musst wissen, dass ich schon öfter vor deiner Tür stand und dann wieder gegangen bin, weil … Na ja, eigentlich bin ich eher schüchtern und ich hätte nie gedacht, dass ich das hier wirklich durchziehen würde. Ich hatte Angst, du könntest vielleicht schlecht über mich denken.«
    Ich setze mich neben sie und nehme ihre Hand, die vor Aufregung zittert und ganz feucht ist. Ich fühle mich wie betrunken und würde der Kleinen am liebsten einfach das Kleid vom Leib reißen, anstatt so viel herumzulabern, aber sie ist anscheinend eher der zurückhaltende Typ und braucht etwas mehr Anlauf, um auf Touren zu kommen. »Alles klar«, murmle ich. »Ich weiß es echt zu schätzen, dass du hier bei mir bist, okay? Mach dir nicht so viele Gedanken. Entspann dich einfach, hier wird uns niemand stören und kein Mensch wird schlecht über dich denken, ich schon gar nicht.«
    Tanja fährt mit ihren Fingerspitzen über den Ledereinband meines ausgeliehenen Buches und lächelt mich mit einem gelösten Seufzer an. Ihre Augen glänzen. »Okay«, haucht sie. »Danke, Simon. Ich glaube, ich hatte noch nie zuvor so schreckliches Herzklopfen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was dieser Moment für mich bedeutet.«

Mia
    Ich finde das Segelboot meines Vaters ziemlich schnell. Es ist das einzige in der Reihe, dessen Mast blau-weiß gestrichen ist und damit aussieht wie die Pfosten in Venedig, an denen die Gondeln befestigt werden. Seitlich, auf dem weißen Holz des Rumpfes, prangt in leuchtendem Blau der Schriftzug Marina . Mir läuft ein Schauer über den Rücken, denn das Segelboot sieht noch genau so aus, wie ich es in Erinnerung habe. Wasser perlt über die Buchstaben, als wolle es sie noch lesbarer machen. Der Name passt natürlich nicht nur wunderbar zu einem Boot, es ist zugleich auch der Name meiner Mutter. Mein Vater hat das Boot nach ihr benannt. Früher lag es am Chiemsee, jetzt hier an der Alster. Es ist ein schöner, großer Segler, in dem locker vier Leute übernachten können. Zusätzlich gibt es einen kleinen Aufenthaltsraum mit Kajüte. Mein Vater segelt, seit er zwanzig ist, aber ich glaube, meine Eltern waren nur ein einziges Mal zusammen auf einem längeren Mittelmeertörn, unter anderem auch in Venedig. Die Reise war ein Geschenk meines Vaters zu ihrem zehnten Hochzeitstag, aber meine Mutter konnte den Urlaub gar nicht richtig genießen. Ich war zwar nicht dabei, aber hinterher erzählte sie mir, dass sie sich pausenlos übergeben musste und mein Vater schließlich ein Hotelzimmer buchte, damit sie das leckere italienische Essen bei sich behalten konnte und nicht alle Spaghetti gleich wieder über Bord gingen. Aber selbst während sie mir davon berichtete, wie kotzübel ihr war, hat sie gelacht. Dabei fing es zu diesem Zeitpunkt bereits an. Dass ihr öfter einfach so schlecht war, meine ich. Auch ohne Seegang. Wenn sie dann mein besorgtes Gesicht sah, brachte sie mich jedes Mal zum Lachen, indem sie meinte: »Oje, stell dir vor, Mia, ich musste gerade wieder an den Segelurlaub mit deinem Papa denken und schon ist mir wieder schlecht geworden.«
    Eine Zeit lang habe ich mitgelacht und ihr geglaubt. Dann, irgendwann, nicht mehr. Als die Diagnose kam, war es bereits zu spät. Eineinhalb Jahre später ist sie gestorben.
    »Kann ich Ihnen behilflich sein, junge Frau?«
    Ich schnelle herum. Ich war so in Gedanken, dass ich den Bootswart gar nicht habe kommen hören, der jetzt den Steg entlang auf mich zuschlendert. Ich ziehe sofort meinen Personalausweis und das Clubkärtchen meines Vaters hervor, das zusammen mit den Schlüsseln fürs Boot in seiner Schreibtischschublade lag.
    Der Bootswart zieht erstaunt die Augenbrauen hoch. »Na, das ist ja ’n Ding«, sagt er in echtem Hamburgerisch. »Das ist also das Fräulein Miriam Falkenstein.«
    Er spricht Falkenstein tatsächlich mit st in der Mitte aus und nicht mit sch . Zum ersten Mal seit dem Telefonat mit Kai vor einer Stunde muss ich kichern.
    »Und, Mädchen, hast du auch einen Segelschein oder willst du dir bloß ein bisschen Seeluft um die Nase wehen lassen?«, fragt er.
    »Ich wollte mich nur an Deck legen und lesen«, sage ich. »Segeln kann ich leider nicht. Ist das denn schwer?«
    »Na, das will ich meinen. Sieht zwar einfach aus, aber wenn Neptun stinkig ist, dann lässt der sich schon

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